Porträt der Woche Der kreativste Kopf der Schweiz ist ein Saarländer

Saarbrücken · Gelassenheit, 80-Stunden-Wochen und „wirklich wildes Zeug“ machten Dennis Lück aus Bierbach zum Werbeguru.

 Dennis Lück

Dennis Lück

Foto: Sebastian Magnani

Am Tag seiner endgültigen Krönung als Werbekönig der Schweiz sitzt Dennis Lück in einem kleinen Saarbrücker Café und trinkt Latte Macchiato. Am Abend aber soll es noch andere Getränke geben. „Heute muss ich noch die Korken knallen lassen“, sagt Lück, „das muss begossen werden.“ Auch Bier aus der alten Heimat wird im Spiel sein. „Ich bin ein absoluter Ur-Pils-Typ.“

Zum dritten Mal in Folge hat der Saarländer als Agenturchef das in der Branche maßgebliche „Kreativranking“ der Fachzeitschrift Werbewoche gewonnen. „Drei Mal hintereinander Platz 1, das hat noch keiner geschafft. Ich bin jetzt sozusagen Schweizer Rekordmeister.“ Und längst eine Art Star – inklusive Homestorys im Fernsehen und in bunten Blättern.

Seit 2010 lebt Lück mit seiner Frau und den drei Kindern in der Schweiz, inzwischen in Wohlen unweit von Zürich, dem Sitz seiner jetzigen Agentur Jung von Matt/Limmat. Eigentlich kommt er aus Bierbach bei Blieskastel, was vielleicht erste Hinweise auf seine Pils-Leidenschaft gibt. Wobei es tatsächlich diese bemerkenswerten Bier-Merkwürdigkeiten gibt im Leben des 41-Jährigen. Als er nämlich als klassischer Jugendlicher der frühen Neunziger mit Heavy Metal in Berührung kam, zu Metallica, Motörhead und Iron Maiden die langen Haare fliegen ließ, tauchte irgendwann auch diese bis heute gefeierte Kampagne für eine Homburger Brauerei auf – mit dem leeren Bierkasten im „All“. Lück nennt das Motiv heute noch, „saugudd, das Allergeilste überhaupt. Das war jahrelang mein Bildschirmschoner.“

Und ein Grund, warum es ihn in die Werbung trieb. Bereits am Gymnasium in Blieskastel wurde im Kunstunterricht seine Leidenschaft für Werbegrafiken sichtbar, auch später als freier Mitarbeiter bei der SZ und dem Pfälzischen Merkur zeigte sich sein Hang zu ungewöhnlichen Ideen, etwa in einer Quatsch-Kolumne über abgelehnte Werbespots. Genau diese Kolumne wurde bei einer bekannten Agentur in Hamburg seine Eintrittskarte in die große, weite Werbewelt. „Die fanden das saulustig und stellten mich als Praktikanten ein – da war ich drin.“ Und mit 23 raus aus dem Saarland.

Rein in die Glitzerwelt der Großstadt? Nicht wirklich. Zwar erlebte er, wie er erzählt, noch das Ende der „Saus-und-Braus-Ära“ der Branche mit, doch das berühmte Klischee vom koksenden, dauer-hektischen Werber, der sich vornehmlich auf Partys rumtreibt, sei tatsächlich nur ein Vorurteil, heute mehr denn je. „Alle, die so arbeiten, sind nach zwei Jahren weg“, meint Lück. Als Geschäftsführer Kreation und Mitinhaber einer Agentur mit 120 Leuten arbeite er die Woche über „wie ein Irrer“ und selten weniger als 14 oder 15 Stunden pro Tag. Allein 60 bis 70 Meetings kämen jede Woche zusammen. „Wenn ich das erzähle, denken immer alle, ich spinne total. Aber für mich ist meine Arbeit mehr Berufung als Beruf. Es ist genau die Nische, die mir Spaß macht, deshalb schaue ich nicht voller Qual auf die Uhr, die Zeit rennt eher davon.“ Überlastet fühlt er sich nicht, im Gegenteil: „Ich brenne mehr denn je, bin mit jedem erreichten Ziel noch ehrgeiziger, noch bissiger geworden.“ 2017 war er schon „Werber des Jahres“, jetzt also der dritte Kreativ-Titel in Folge. Ein Saarländer als Dominator in der Schweiz. Eine Art FC Bayern der Werbeliga?

Der Fußball-Vergleich ist nicht völlig aus der Luft gegriffen. In vielerlei Hinsicht. Wie beim FC Bayern müsse vor allem der Erfolg stimmen, in seinem Fall der wirtschaftliche und der kreative Erfolg, heißt also Geld verdienen und Preise gewinnen. „Der Erwartungsdruck ist groß, und du bist schnell angezählt, wenn was schief geht.“ Ein einziger großer Fehlgriff könne die Karriere kosten, so wie einem Fußballtrainer nach einer Niederlagenserie der Rauswurf droht. Für ihn sei das jedoch positiver Druck, „er zwingt mich dazu, gute Arbeit zu machen“. Lück ist momentan vor allem ein Impulsgeber, er sieht sich als Spielertrainer. In dieser Position sei es entscheidend, „immer dranzubleiben, immer besser werden zu wollen, sich stets neue Spielzüge und Tricks einfallen zu lassen.“ Training und tägliche Fleißarbeit also statt Party ohne Ende. „Was wir machen, ist Hochleistungssport“, sagt Lück, „da heißt es gesund bleiben, ruhig bleiben. Hier und da mal ein Bierchen ist aber erlaubt.“

Am liebsten natürlich, wenn es was zu feiern gibt, was es oft gab in den letzten Jahren. Doch was ist das Erfolgsgeheimnis von Dennis Lück? Der Mann mit den vielen Tattoos, der gerne schwarze Turnschuhe trägt, strahlt eine große Ruhe aus, das hilft in dem stressigen Job. „Nur mit Entspannung kommt man durch“, sagt Lück: „Wenn ich mit Hektik auf Hektik reagiere, wird’s nur schlimmer, dann mache ich als Chef alle Leute verrückt. Gerade in einem Beruf, in dem es nicht um Leben und Tod geht, gibt es keinen Grund, vollkommen durchzudrehen, wenn etwas nicht läuft.“

Lücks größtes Plus aber dürfte sein, dass er gar keine Werbung machen will. „Ich finde Werbung scheiße. Ich möchte Menschen unterhalten, Dinge machen, die man sich gerne anschaut. Unterhaltung heißt nicht immer Schenkelklopfer, sondern ist auch mal provozierend oder clever oder macht nachdenklich.“ Kaum klassische Sachen, dafür viel „wirklich wildes Zeug“, das zeichne ihn und seine Agentur aus. „Von Weltverbesserung bis Tomatensuppe ist alles dabei.“ Anfang Februar erst sorgte Jung von Matt für Schlagzeilen, als man für Amnesty International den alljährlichen Sirenentest in der Schweiz zum Anlass nahm, um an den so oft vergessenen Krieg im Jemen zu erinnern. Zeitgleich mit den Sirenen wurden landesweit im Radio zwei Minuten lang echte Kriegsgeräusche aus dem geschundenen Land gesendet.

Noch deutlich größer war die Aufmerksamkeit vor zwei Jahren im Zuge des von Lück und Co. erdachten Fotografierverbots im Schweizer Ort Bergün nahe St. Moritz. „Unfassbar“ sei das gewesen damals, die halbe Welt habe darüber berichtet, fast eine Milliarde Menschen hätten von der Aktion erfahren, die den Tourismus in der Region ankurbeln sollte. Was fantastisch gelang, nachdem das Verbot zuvor tatsächlich vom Gemeinderat beschlossen worden war. Begründung: Fotos von Bergüns schöner Landschaft machen andere Menschen unglücklich, wenn sie sie daheim am Bildschirm sehen.

Von einer solchen Resonanz kann die Saarland-Kampagne „Großes entsteht immer im Kleinen“ nur träumen, auch wenn Lück sie sehr gut findet. „Das bleibt hängen, da steckt Wahrheit drin. Man geht offensiv mit der Kleinheit um, betont aber auch die Chancen davon.“ Allerdings müsse der Slogan permanent mit neuem Leben gefüllt werden. „Es reicht nicht, das nur irgendwo draufzuschreiben. Es muss ständig neu zum Leben erweckt werden, am besten durch Taten statt durch Werbung.“

Im Saarland ist Lück noch immer häufig, alle paar Monate lässt er sich in der alten Heimat blicken. Ansonsten ist er auch in der Ferne mindestens am Wochenende regelmäßig als anständiger Saarländer aktiv. „Hallo? Natürlich hab‘ ich ‘nen Schwenker im Garten.“

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