Gesellschaftliches Engagement Brauchen wir eine allgemeine Dienstpflicht?

Die Krankenhäuser und Feuerwehren im Saarland sind offen für den Vorschlag, die Sozialverbände lehnen ihn ab – eine Umfrage.

 Könnte eine Dienstpflicht den Pflegenotstand lindern? Die Betreiber der privaten Pflegeheime sind der Meinung: „In der Pflege werden vor allem Fachkräfte gebraucht.“

Könnte eine Dienstpflicht den Pflegenotstand lindern? Die Betreiber der privaten Pflegeheime sind der Meinung: „In der Pflege werden vor allem Fachkräfte gebraucht.“

Foto: picture alliance / dpa/Friso Gentsch

Deutsches Rotes Kreuz (DRK) Saarland: „Ich begrüße eine Debatte über ein verstärktes gesellschaftliches Engagement. Eine allgemeine Dienstpflicht sehe ich eher kritisch. Zu stärken wären zunächst die vielfältigen Angebote der freiwilligen Dienste über eine bessere finanzielle Ausstattung der Angebote und der finanziellen Anreize für die Teilnehmer. Hier kann der Bund kurzfristig die Ausstattung und die Anzahl der Freiwilligendienste steuern. Auch Bonuspunkte bei Studienplatzvergabe für ehrenamtlich engagierte junge Menschen und Teilnehmer der Freiwilligen-Programme können einen Anreiz darstellen. Hinsichtlich der Gewinnung von hauptamtlichen Mitarbeitern im sozialen Bereich sind neben den positiven Erfahrungen in der sozialen Arbeit mit Menschen auch die finanzielle und gesellschaftliche Aufwertung der Arbeit in Kindergärten, Altenheimen, Krankenhäusern zu bedenken.“

Michael Burkert, Präsident

Landesfeuerwehrverband (LFV)Saarland: „Eine attraktivere Gestaltung des Ehrenamtes ist grundsätzlich – unabhängig von Wehrpflicht/Dienstpflicht – ein absolutes Muss. Die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht könnte für die Hilfsorganisationen im Allgemeinen, für die kommunalen ehrenamtlichen Feuerwehren  und  für den Katastrophenschutz von großer positiver Bedeutung sein: weniger auf die aktiven Einsatztätigkeiten bezogen, aber insbesondere für alle Randthemen, das heißt, alles was über die unmittelbare Dienstleistung in der Gefahrenabwehr hinausgeht, zum Beispiel Hilfestellung in Ausbildungsthemen, Förderung der Nachwuchsarbeit, Verwaltungsarbeiten, Pflege, Wartung und Sicherheitsüberprüfungen von Gebäuden, Fahrzeugen und Geräten. Bei attraktiver Gestaltung dieser allgemeinen Dienstpflicht hätte als Folge der Eintritt in den aktiven Dienst der jeweiligen Organisation sicher seinen  Charme.“

Bernd Becker, Präsident

Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa): „Wir sind davon überzeugt, dass ein Freiwilligendienst dabei hilft, dass junge Menschen ihre soziale Kompetenz stärken können und die Möglichkeit haben, sich beruflich zu orientieren. Ein Pflichtjahr darf und kann aber kein Ersatz für die professionelle Tätigkeit sein. In der Pflege werden vor allem Fachkräfte gebraucht!“

Angela Eichler, Landesbeauftragte

Arbeiterwohlfahrt (Awo) Saar: „Die Idee eines verpflichtenden Gesellschaftsjahres ist eine Mogelpackung: Weder stärken wir die Solidarität und den Gemeinsinn junger Menschen, wenn wir sie in einen Pflichtdienst zwingen, noch erreichen wir damit etwas gegen den Fachkräftemangel im sozialen Bereich. Die Awo ist grundsätzlich davon überzeugt, dass ein soziales Jahr ein großer Gewinn für junge Menschen sein kann, aber nur, wenn es freiwillig erfolgt. Die Awo hat mit den bestehenden Angeboten wie Bundesfreiwilligendienst und Freiwilliges Soziales Jahr gute Erfahrungen mit motivierten jungen Menschen  gemacht. Was wir wirklich benötigen, ist mehr Wertschätzung und Anerkennung für Menschen, die einen Freiwilligendienst leisten. Geeignete Maßnahmen dazu wären zum Beispiel eine bessere Anerkennung eines Freiwilligendienstes im Rahmen von Ausbildung, Studium und Beruf sowie freie Fahrt für Freiwillige im öffentlichen Nahverkehr.“

Marcel Dubois, Vorsitzender

Saarländische Krankenhausgesellschaft (SKG): „Den Dienst an Kranken und Pflegebedürftigen halten wir grundsätzlich für sinnvoll. In der Vergangenheit haben die saarländischen Krankenhäuser sehr gute Erfahrungen mit Zivildienstleistenden gemacht. Deshalb wären wir auch jetzt bereit, die notwendigen Strukturen für einen solchen Dienst zu schaffen.“

Thomas Jakobs, Geschäftsführer

Bistum Trier: „Die Sozialen Lerndienste im Bistum Trier sprechen sich explizit gegen die Einführung eines Pflichtdienstes aus. Freiwilligendienste sind kein arbeitsmarktpolitisches Instrument, um kostengünstig Personalnotstand zu lindern, sondern bieten Menschen die Möglichkeit, Einblicke in soziale Berufsfelder zu erhalten, und sind eine Zeit der Orientierung und Bildung. Die eigene Motivation und die Freiwilligkeit sind dabei die Basis für ein nachhaltiges und positives Gelingen. Stattdessen fordern wir mehr Anerkennung für Menschen, die sich freiwillig und sozial in unserer Gesellschaft engagieren. Mögliche Formen der Anerkennung wären beispielsweise: eine Erhöhung der Förderpauschalen, die vergünstigte Nutzung des ÖPNV, die Befreiung von der Beitragspflicht für Rundfunkgebühren sowie die Anerkennung des Freiwilligendienstes für eine bevorzugte Studienzulassung.“

Kerstin Becker,
stellvertretende Leiterin
Soziale Lerndienste im Bistum Trier

Deutscher Bundeswehrverband (DBwV): „Wenn über die allgemeine Dienstpflicht vor dem Hintergrund eines verstärkten gesellschaftspolitischen Engagements nachgedacht wird, würde ich das begrüßen. Dann ist eine ehrliche, nicht parteipolitischen Zwängen unterworfene Debatte in Deutschland notwendig. Dann werden auch noch zu klärende rechtliche Fragen kein Hindernis sein. Und dann wird es auch Möglichkeiten geben, dieses gesellschaftliche Engagement innerhalb der Bundeswehr zu leisten. Aber das Ziel ist dann ein gesellschaftspolitisches und nicht die Frage billiger Hilfskräfte oder die Schaffung einer Rekrutierungsbasis für Feuerwehr, Pflegekräfte oder Soldaten. Die Wiedereinführung der Wehrpflicht ist kurzfristig unmöglich, da die dafür notwendige Struktur aufgelöst wurde. Die Bundeswehr braucht nicht zusätzliche Mannschaften, sondern Spezialisten. Diese werden gewonnen durch attraktive Arbeitsbedingungen.“

Thomas Sohst,
Landesvorsitzender

Diakonisches Werk (DW) an der Saar: „Die angestoßene Diskussion über eine Dienstpflicht ist insofern wichtig, da hier gefragt wird, was der Einzelne zum Gemeinwesen beitragen kann. Zugleich haben insbesondere junge Menschen die Chance, das Leben aus einer anderen Perspektive kennenzulernen. Bezüglich einer Dienstpflicht bin ich eher skeptisch, da gerade im sozialen Bereich die eigene Motivation für den Dienst sehr wichtig ist. Wir machen in der Diakonie mit dem Freiwilligen Sozialen Jahr sehr gute Erfahrungen und haben eine ständig steigende Nachfrage. Von daher sollte die Möglichkeit geschaffen werden, mehr Plätze  anbieten zu können und diese attraktiver zu gestalten.“

Udo Blank,
Pfarrer und Geschäftsführer

Technisches Hilfswerk (THW): „Das THW hat im Saarland keine generellen Nachwuchsprobleme. Dazu brauchen wir keine Dienstverpflichtung gleich welcher Form. Der Wandel in unserer Gesellschaft lässt jedoch auch große Lücken erkennen. Der Einzelne, der weder eine Entschädigung noch eine Übungsleiterpauschale oder ähnliche monetäre Leistungen erhält, erwartet jedoch eine Akzeptanz der Gesellschaft und einen ehrenamtsfreundlicheren Umgang. Jede öffentliche Ausschreibung sollte engagierte Bürger bei gleicher Eignung vorziehen. Nachhaltige Bestrebungen und Überlegungen, Formalien und Verwaltungshandeln auf das Notwendigste zu reduzieren, fehlen komplett. Unter den gegebenen Rahmenbedingungen wird es schwer werden, künftig Menschen dazu zu bewegen, Verantwortung in unserer Organisation als Führungskraft zu übernehmen.“

Hans-Werner Schuh,
Landessprecher

Verband der Reservisten in der Deutschen Bundeswehr (VdRBw): „Bereits Ende 2015 setzte sich der Reservistenverband für die Einführung einer Dienstpflicht ein. Ich begrüße die aktuelle Debatte, wir müssen dem demografischen Wandel begegnen, um den Zusammenhalt  in unserer Gesellschaft zu stärken. Durch Überalterung der Gesellschaft entsteht ein Mangel an Nachwuchskräften bei den Blaulichtorganisationen, Hilfsdiensten, Pflege, Gesundheitsvorsorge und der Bundeswehr. Ein verpflichtendes Jahr könnte da, wenigstens im Ansatz, Abhilfe schaffen. Ein Jahr für Deutschland zu dienen, sollte für jeden verpflichtend sein, denn unser Land hat es verdient.“

Rudi Hermann, Landesvorsitzender

Der Paritätische Rheinland-Pfalz/Saarland: „Die derzeitige Diskussion um einen verpflichtenden Dienst muss vom Kopf auf die Füße gestellt werden und das heißt: Man darf  nicht nur holzschnittartig das freiwillige Engagement unter seinen jetzigen Bedingungen dem Pflichtdienst gegenüber stellen; es wäre durchaus wünschenswert, wenn man die derzeit bestehenden Dienste besser ausstattet – dies hätte mit Sicherheit einen spürbaren positiven Effekt. Vielleicht wäre eine weitere Diskussion schon an dieser Stelle obsolet. (...) Und schließlich muss man  immer bedenken, dass man mit einem Pflichtdienst zwar Quantitäten steuern kann, aber das sagt noch lange nichts über die Motivation derjenigen, die es dann betrifft, aus.“

Michael Hamm,
Landesgeschäftsführer

Arbeiter-Samariter-Bund (ASB): „Einen Pflichtdienst lehne ich ab. Wir würden unseren Patienten, Bewohnern oder Klienten einen Bärendienst erweisen, wenn wir sie von Menschen betreuen und versorgen lassen, die keine Freude an dieser Tätigkeit haben, sondern nüchtern ihre Dienstpflicht erfüllen. Wir müssen überlegen, wie wir den Freiwilligendienst noch interessanter gestalten können – und ausloten, inwiefern ein Freiwilligendienst im Rahmen einer darauffolgenden Ausbildung oder Studienplatzvergabe positiv angerechnet werden kann. Abzuklären wäre auch, ob der Freiwilligendienst zu Anrechnungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung führen kann, so wie früher der Wehrdienst. Darüber hinaus sollte auch die Möglichkeit einer besonderen gesellschaftlichen Anerkennung geprüft werden, z. B. in Form einer freien Nutzung des ÖPNV oder eines freien bzw. vergünstigten Eintritts zu kulturellen Angeboten.“

Guido Jost, Landesvorsitzender

 Könnte eine Dienstpflicht den Pflegenotstand lindern? Die Betreiber der privaten Pflegeheime sind der Meinung: „In der Pflege werden vor allem Fachkräfte gebraucht.“

Könnte eine Dienstpflicht den Pflegenotstand lindern? Die Betreiber der privaten Pflegeheime sind der Meinung: „In der Pflege werden vor allem Fachkräfte gebraucht.“

Foto: picture alliance / dpa/Friso Gentsch
 Eine Wiedereinführung der Wehrpflicht wird es nicht geben, so viel steht fest. Selbst der Deutsche Bundeswehrverband ist dagegen.

Eine Wiedereinführung der Wehrpflicht wird es nicht geben, so viel steht fest. Selbst der Deutsche Bundeswehrverband ist dagegen.

Foto: dpa/Stefan Sauer
 14SZ-Einführung Dienstpflicht

14SZ-Einführung Dienstpflicht

Foto: SZ/Steffen, Michael

Zusammengestellt von Daniel Kirch

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort