Eine Rose für die Freiheit und das OLG

Zweibrücken · Ob das lichte Büro von OLG-Präsident Willi Kestel, die mehr 100 Jahre alten Möbel bei Generalstaatsanwalt Horst Hund oder die Gelegenheit für eine Siebenjährige, ihren Opa freizusprechen – das Bürgerfest im Schloss sorgte vielfach für Begeisterung.

 Ministerpräsidentin Malu Dreyer, mit Rosenkönigin Katrin I., taufte die Rose „Libertas“. Foto: M. Wille

Ministerpräsidentin Malu Dreyer, mit Rosenkönigin Katrin I., taufte die Rose „Libertas“. Foto: M. Wille

Foto: M. Wille
 Die Autoren Wolfgang Ohler (links) und Michael Dillinger (mit Hut) nahmen sich in ihren Rollen als Zecher selbst auf die Schippe. Dazwischen Silvia Bervingas als Gasthaus-Ladenberger-Wirtin. Foto: cvw

Die Autoren Wolfgang Ohler (links) und Michael Dillinger (mit Hut) nahmen sich in ihren Rollen als Zecher selbst auf die Schippe. Dazwischen Silvia Bervingas als Gasthaus-Ladenberger-Wirtin. Foto: cvw

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 Auch Kinder wie Klara (9) kamen beim Bürgerfest nicht zu kurz. Foto: Marco Wille

Auch Kinder wie Klara (9) kamen beim Bürgerfest nicht zu kurz. Foto: Marco Wille

Foto: Marco Wille

Originelle Theaterszenen, Chormusik mit Gänsehautcharakter, interessante und informative Führungen und Vorträge, eine mitreißende Rosentaufe und viele gute Gespräche bei einem Glas Wein und kulinarischen Köstlichkeiten machten das Bürgerfest, mit dem das Pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken am Samstag sein 200-jähriges Bestehen weiterfeierte, zu einem heiteren Fest für die ganze Familie.

Gut 600 Bürger freuten sich, "ihr" Oberlandesgericht im Schloss einmal von innen zu betrachten. "Wir hatten fünf Führungen mit insgesamt 150 Teilnehmern, 100 Zuhörer bei unserem Vortrag ‚TV-Realität und Wirklichkeit', sowie gut 60 Personen haben sich für das Thema Betreuung interessiert", fasst Pressesprecher Claus Kratz zusammen. Während einer Zusatzführung aufgrund des großen Interesses erklärte er den Ablauf einer Gerichtsverhandlung in einem Sitzungssaal und warb für die einzelnen juristischen Berufsbilder im OLG, die durchaus "familientauglich" seien. Für Begeisterung sorgten auch das lichte Büro von OLG-Präsident Willi Kestel sowie die mehr als 100 Jahre alten Möbel im Büro des Generalstaatsanwalts Horst Hund. Die siebenjährige Kathi Schmitz aus Contwig durfte einmal auf dem Richterstuhl im Verhandlungssaal Platz nehmen. Selbstbewusst thronte sie dort und sprach im Kreise ihrer Familie ihren Opa auf der Anklagebank frei. "Der Überblick von da oben" gefiel ihr am besten. Und die Spiele draußen im Schlossgarten. Währenddessen fluteten die anschwellenden Sängerstimmen der Chöre des OLG und der Generalstaatsanwaltschaft Zweibrücken und des OLG-Chors Schleswig das Schloss-Foyer. Gospel zum Mitklatschen, ein erhebendes Halleluja aus mehr als 40 Kehlen und eine ergreifende "The Rose" im Anschluss an die Rosentaufe verursachten manchem Besucher eine Gänsehaut. Eine Rose für die Freiheit, die 2009 mit der Silbermedaille in Baden-Baden und dem Preis der Stadt Zweibrücken ausgezeichnete Rose "Libertas", wurde von Ministerpräsidentin Malu Dreyer persönlich getauft, unter Assistenz der Zweibrücker Rosenkönigin Katrin I. Die Rose Libertas ist laut Oberbürgermeister Kurt Pirmann ein weiteres Symbol dafür, "welch eine Kraft von unserer Stadt ausgeht - Demokratie und Freiheit!" Die zum Kauf angebotene, dunkelrosa blühende ADR-Rankrose mit der weißen Mitte fand reißenden Absatz, ebenso wie die Jubiläumsbriefmarke.

"Ein sehr gelungenes Fest mit einem wunderschönen Programm und sehr bürgernah", lobte der Zweibrücker Helmut Sickinger. Begeistert war auch die Präsidentin des OLG Schleswig, Uta Fölster, die ihren Chor begleitete: "Dieses wunderbare Fest wollte ich mir nicht entgehen lassen, zumal zwischen den Zweibrückern und uns gleich bei unserer ersten Begegnung im vergangenen Jahr eine tiefe Freundschaft entstanden ist."

Die beiden Chöre haben verabredet, "immer Gelegenheiten für gemeinsame Auftritte zu suchen". "Sie haben nur ein einziges Mal gemeinsam geprobt", nannte Fölster als Erfolgsgeheimnis die menschliche wie musikalische Harmonie. Und so endete auch der Chorgesang, mit "World of peace and harmony" (Welt voll Frieden und Harmonie). Voll besetzt war nicht nur 1833 der 800 Menschen fassende Saal in Landau, in dem damals der berühmte Assisenprozess gegen die Angeklagten nach dem Hambacher Fest stattfand. Bis auf den letzten Stuhl, etliche Treppenstufen und zahlreiche Stehplätze besetzt war auch das große Foyer im Zweibrücker Oberlandesgericht, als das Theaterstück "Freispruch!" über eben jenen Prozess am Samstagnachmittag uraufgeführt wurde.

Der Assisenprozess gilt als früher Höhepunkt der 200-jährigen Geschichte des OLG. Heiter und leicht verdaulich in packenden Dialogen aufbereitet, vermittelte "Freispruch!" die bedeutenden historischen Zusammenhänge. Den beiden Zweibrücker Autoren Wolfgang Ohler, pensionierter Richter des OLG, und Michael Dillinger, gelang es mit ihrem Wortwitz bestens, kurzweilig zu informieren und interessant zu unterhalten. Für Heiterkeit beim Publikum sorgte die Selbstironie der beiden in ihren Statistenrollen als trinkfeste Zecher, als sie behaupten: "Wir können doch gar nicht schreiben."

Die Geschichte: Im Gasthaus Ladenberger in Bubenhausen, wo im Jahr zuvor der Deutsche Press- und Vaterlandsverein gegründet worden war, fiebern vier Menschen dem Ausgang des Prozesses entgegen: Der Abgeordnete Friedrich Schüler, der sich dem Prozess durch die Flucht nach Frankreich entzogen hat, der Drucker Georg Ritter, der die Protokolle der Verhandlung veröffentlicht, Franz Xaver Gabelsberger , der zum ersten Mal in der deutschen Rechtsgeschichte einen ganzen Strafprozess mit seiner Kurzschrift protokolliert, und die handfeste Wirtin Frau Ladenberger, höchst überzeugend verkörpert von der Zweibrücker Schauspielerin und Regisseurin des Stücks, Silvia Bervingas.

Werden die "Helden von Hambach", die ein Jahr zuvor das Bürgerfest auf dem Hambacher Schloss organisiert haben, wegen Hochverrats schuldig gesprochen? Weiße Betttücher, die auf den Zweibrücker Höhen geschwenkt werden, verkünden es: Freispruch! "Das sind die weißen Fahnen des Triumphes der Freiheit und der Demokratie" jubelt Gabelsberger, alias Marc Lüders. Georg Ritter, gespielt von Sebastian Müller-Bech, ergänzt: "Was für ein großer Tag! Heute findet das Hambacher Fest ein spätes und gutes Ende!" Im Wirtshaus wie auch im ganzen Land bricht Jubel aus. Die Gaststube wird zum Tribunal, das noch einmal die Ereignisse Revue passieren lässt, die den Anfang von Pressefreiheit und Demokratie in deutschen Landen markieren. Besonders die Verteidigungsrede des Homburger Journalisten Jakob Siebenpfeiffer, die Schüler, mit Frack und Zylinder verkörpert von Michele Marotta vorträgt, erinnert an den Mut der Hambacher Akteure.

Szenenapplaus gab es für die Marseillaise, die Bervingas sang und marschierte, die Faust kämpferisch gen Himmel erhoben. Lag es an dem mitreißenden Schauspiel oder der räumlichen Nähe zu den Zuschauern? Als der Musikus Eckhardt Fischer leise das Lied der Demokraten anstimmte, summte es zunächst im Publikum, bis das Stück mit dem gemeinsamen, lautstarken Gesang endete.

Nächster Termin von "Freispruch!" ist am Sonntag, 18. Oktober, um elf Uhr auf dem Hambacher Schloss (mehr Infos: www.hambacher-schloss.de ).

Herr Kestel, drei Festtage, ganz unterschiedliche Programmpunkte, viele Festreden - welche Höhepunkte hatte das Fest?

Willi Kestel: Gerade die Vielseitigkeit mit der Ausstellung, dem offiziellen Festakt mit der ergreifenden Festrede unserer Landesmutter und natürlich dem Bürgerfest haben den ganz besonderen Reiz ausgemacht. Mich persönlich hat auch der glanzvolle Auftritt unseres Chors des OLG und der Generalstaatsanwaltschaft mit dem OLG-Chor Schleswig besonders gefreut. Die Rosentaufe, das Theaterstück - da war für jeden Geschmack etwas dabei.

Welches war Ihr bewegendster Moment?

Kestel (strahlt): Da gab es einige, aber am überwältigsten bin ich von der enormen Resonanz bei jeder einzelnen Veranstaltung. Angefangen bei der Eröffnung der Jubiläumsausstellung im Stadtmuseum am Mittwochabend im Herzogsaal mit weit mehr als 200 Gästen, dem Festakt am Freitag in der Festhalle, zu dem fast 400 geladene Gäste aus ganz Deutschland angereist sind, bis zu dem vollen Haus, das wir heute mit unserem Bürgerfest erlebt haben. Viele Hundert Menschen haben 200 Jahre Oberlandesgericht Zweibrücken gemeinsam mit uns gefeiert. Einen solchen Ansturm und eine solche Teilnahme haben wir in unseren kühnsten Träumen nicht erwartet. Das zeigt auf ganz wunderbare Weise die enge Verbundenheit der Zweibrückerinnen und Zweibrücker mit ihrem Oberlandesgericht.

200 Jahre Pfälzisches Oberlandesgericht - eine Geschichte, die als Wiege unseres Rechtsstaats und auch der Pressefreiheit aktuell ist bis heute. Sehen Sie weitere Nachhaltigkeit, die sich aus der Jubiläumsveranstaltung ergibt?

Kestel: Für die Stadt Zweibrücken ist es ein großes Glück, Sitz dieses so bedeuten Oberlandesgerichts und Wiege der deutschen Demokratie zu sein. Das verleiht der Stadt eine enorme Bedeutung, weit über die Region und Rheinland-Pfalz hinaus in ganz Deutschland. Ich habe den Eindruck, dass dies den Bürgern noch bewusster geworden ist: Dazu trägt auch die Wertschätzung bei, die unsere Ministerpräsidentin durch gleich mehrfache Besuche ausdrückt und ihre anerkennenden Worte. Unsere Rose "Libertas" trägt die Blüten der Freiheit künftig in Europas Rosengarten sowie in Privatgärten und sicherlich auch weitere öffentlichen Parks. Mit dem Theaterstück und mit der Ausstellung werden wir auf Tournee gehen und auch das Begleitbuch wird die Geschichte des OLG und damit Zweibrückens nachhaltig weiter tragen. Die enorme Resonanz auf unsere Schlossführung, die Vorträge und den offenen Schlossgarten zeigen, dass wir künftig regelmäßig unsere Türen öffnen und zum Bürgerfest einladen wollen.

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