Der etwas andere Team-Vergleich

Heute entscheidet sich, ob sich meine beiden Herzensmannschaften im Halbfinale gegenüberstehen. Fälschlicherweise hatte ich in einer meiner vorherigen Kolumnen eine Finalbegegnung beider Mannschaften als erklärtes Ziel ausgesprochen.

 Boa Sorte! heißt „Viel Glück“ auf Brasilianisch. Foto: Gab

Boa Sorte! heißt „Viel Glück“ auf Brasilianisch. Foto: Gab

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Da eine Begegnung beider Mannschaften im Halbfinale trotzdem so etwas wie Finalcharakter hätte, bleibt die Frage, wer würde im Falle einer Begegnung die besseren Nerven zeigen?

Stichwort Geduld. Brasilianer gehören zu den geduldigsten Menschen, die mir bislang untergekommen sind. Manche sagen, es bleibe ihnen angesichts der oft nicht kalkulierbaren täglichen Unwägbarkeiten auch nichts anderes übrig. Im Straßenverkehr, der durchaus chaotisch daherkommt, pflegen sie zum Beispiel eher auszuweichen, als dass Sie hupen oder aggressiv reagieren. Ich fühle mich nach zwei Jahren hier immer noch im ersten Semester was den Umgang mit meiner ständig aufkommenden Ungeduld angeht. Nach und nach versuche ich, immer weniger im Voraus zu planen, weil ich dann auf unerwartete Ereignisse besser reagieren kann. In Sachen Geduld steht es 1:0 für Brasilien.

Schauen wir uns die Ausdauer an. Brasilianer scheinen immer irgendwie einen Weg zu finden, einer ungeliebten Situation auszuweichen. Ein Freund sagte zu mir neulich: "Wir denken, wir können mit allem umgehen. Und wir leben nach dem Motto: Es gibt keine Regel, die ich nicht brechen kann. Wir sind Melandros (Schurken, Spitzbuben), die das Leben eher flexibel sehen." Für die Melandros gibt es eine Gelbe Karte, der Punkt für die Ausdauer geht trotzdem an Brasilien. Es steht 2:0.

Einer meiner Yoga-Studenten sagte neulich zu mir: "Die Deutschen drücken ganz klar aus, wie, wann, warum sie etwas erledigt haben wollen. Uns Brasilianern fehlt es da an Hartnäckigkeit." Also klarer Punkt für uns: 2:1. Und wie steht es mit Physis auf beiden Seiten? Angesichts der Tatsache, dass bei Brasilianern ab unter 25 Grad der Schnupfen ausbricht und viele den Sprung ins Meer bei diesen eisigen Temperaturen als lebensmüde ansehen, geht hier der Punkt klar an uns Deutsche. Mein Endergebnis heißt daher 2:2. Die Verlängerung wird es wie so oft bei dieser WM auch hier zeigen. Vielleicht kommt aber auch alles ganz anders. Ich wünsche beiden Teams "Boa Sorte!" - "Viel Glück!"

Sabrina Gab, 35, geboren und aufgewachsen in Zweibrücken, reiste ein Jahr um die Welt, bevor sie Rio de Janeiro als neues Zuhause wählte. Dort lebt und arbeitet die ausgebildete Journalistin und Yogalehrerin seit zwei Jahren mit ihrem Partner und dem gemeinsamen Sohn Noah.

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