Kolumne Ein Warnschuss zur rechten Zeit?

Ohne Schiedsrichter geht es im Fußball nicht. Das klingt zunächst, als hätte ein spröder Funktionär auf der Suche nach salbungsvollen Worten für den nächsten Verbandstag ganz tief in die Grabbelkiste der Glückskeksweisheiten gegriffen.

 Mirko Reuther

Mirko Reuther

Foto: SZ/Lorenz, Robby

Aber: Was sich abgedroschen anhört, ist dennoch wahr. Denn wenn sich keine Unparteiischen mehr finden, die als Gegenleistung für einen warmen Händedruck freie Zeit und Nerven opfern, gucken Fans, Fußballer und Vereine ganz schnell in die Röhre.

Dass wegen Schirimangel bereits kurz nach dem Saisonauftakt mehrere C-Klasse-Partien im Kreis Pirmasens/Zweibrücken abgesagt werden mussten, sollte ein deutlicher Warnschuss gewesen sein. Doch ob ihn auch jeder gehört hat?

Nun sind die Gründe für fehlenden Schiri-Nachwuchs vielfältig. Und nicht für jedes Problem gibt es das passende Patentrezept. Freizeitverhalten hat sich geändert. Dass Jugendliche, die unter der Woche erst abends von der Schule nach Hause kommen, sich Schöneres vorstellen können, als sonntags mit der Pfeife über die Sportplätze zu tingeln – dagegen wird man schwer etwas unternehmen können.

Mindestens einen Ansatzpunkt, an den sich alle halten könn(t)en, gibt es aber. Nämlich Schiedsrichter mit Respekt zu behandeln.Den Unparteiischen als blinde Sau zu beschimpfen, hat nichts mit dem Fußball untrennbar zugehörigen Emotionen, zu tun – sondern mit fehlendem Anstand. Der geläufige Gesang „Schiri, du Arschloch“ ist kein Ausdruck berechtigter Kritik – sondern eine hohle Beleidigung. „Dann soll er halt ordentlich pfeifen“, ist keine valide Entschuldigung – sondern ein argumentativer Offenbarungseid. Sich auch nach der fünften Flasche Bier auf dem Sportplatz nicht so aufzuführen, dass Mama sich schämen muss, sollte möglich sein – und beraubt den Amateurfußball auch nicht seiner Seele und Folklore.

Die Kritik richtet sich aber nicht nur an die Zuschauer. Sondern auch an die Spieler. Weinerlich über vermeintliche Fehler des Schiedsrichters zu jammern, wenn man in den 90 Minuten zuvor mit Schwalben und Schauspiel aktiv versucht hat, solche Fehler zu provozieren, ist mindestens inkonsequent. Treffender wäre die Bezeichnung Heuchelei.

Es wäre unfair, die Thematik allein auf den Amateurfußball zu beschränken. Die Worte, mit denen Diego Costa von Atlético Madrid im Spiel gegen Barcelona vor kurzem Referee Jesus Gil Manzano bedachte, sind für den Merkur nicht druckreif. Doch die Konsequenzen können für den Amateurfußball gravierender sein. Erfahrene Schiris haben sich im Laufe der Zeit vielleicht ein dickes Fell zugelegt. Aber wenn der Nachwuchs die Lust verliert, sich Woche für Woche von besserwisserischen Rentnern oder pubertierenden Halbstarken terrorisieren zu lassen, werden Fans, Fußballer und Vereine in einigen Jahren feststellen: Ohne Schiri geht es ja tatsächlich nicht.

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