Noch viele Fragezeichen

Meinung · Nun reift sie also, die Idee, das Treibhausgas Kohlendioxid (CO2), das vor allem in Braun- und Steinkohle-Kraftwerken in großen Mengen freigesetzt wird, unter die Erde zu verbannen. Damit sollen die Erderwärmung und der Klimawandel zumindest verzögert werden

Nun reift sie also, die Idee, das Treibhausgas Kohlendioxid (CO2), das vor allem in Braun- und Steinkohle-Kraftwerken in großen Mengen freigesetzt wird, unter die Erde zu verbannen. Damit sollen die Erderwärmung und der Klimawandel zumindest verzögert werden. Im Ansatz ist die Idee, das klimaschädliche CO2 in unterirdische Hohlräume zu pressen und so zu neutralisieren, sicherlich zu begrüßen. Doch in der Realität sollte man sich davor hüten, in lautes Hurra-Geschrei auszubrechen, auch wenn der Energie-Konzern Vattenfall heute die erste Pilotanlage in Betrieb nimmt, mit der man CO2 abscheiden kann. "Fortschritt - das bedeutet, dass wir unsere alten Sorgen gegen neue eintauschen", meinte schon der britische Mathematiker und Philosoph Bertrand Russel. Zum einen kostet das Abscheiden des CO2 von den anderen Gasen eine Menge Energie. Experten befürchten, dass der Wirkungsgrad der Kraftwerke um bis zu 15 Prozentpunkte sinken könnte. Moderne Kraftwerke, die es heute auf einen Wirkungsgrad von 46 bis 48 Prozent bringen, würden dann nur noch bei um die 30 Prozent landen. Dies würde bedeuten, dass von der Energie, die in jeder Tonne Stein- oder Braunkohle steckt, nur ein knappes Drittel in Strom umgewandelt würde. Zudem ist der Transport des Gases mit großem Aufwand verbunden. Der Energiekonzern RWE hat Ende August angekündigt, sein nächstes Braunkohle-Kraftwerk, das in Hürth bei Köln entstehen soll, unter anderem mit einer Kohlendioxid-Abscheidung auszurüsten. Gespeichert werden soll das Gas in Norddeutschland. Dazu will man vom rheinischen Revier bis nach Schleswig-Holstein eine "Klimaschutz-Pipeline" bauen, um das CO2 in Richtung Norden zu transportieren. Schon heute laufen im dicht besiedelten Nordrhein-Westfalen Wetten, dass diese Pipeline aufgrund des komplizierten Raumordnungs- und Genehmigungsverfahrens nie das Licht der Welt erblicken wird. Auch die Kosten werden eine wichtige Rolle spielen. Fachleute gehen davon aus, dass sich bei Kohlekraftwerken die Stromgestehungskosten verdoppeln werden. Die Abscheidungskosten des Gases könnten sich zwischen 26 und 37 Euro pro Tonne CO2 bewegen, wobei die deutschen Kraftwerke pro Jahr rund 350 Millionen Tonnen Kohlendioxid ausstoßen. Es käme also eine gewaltige Summe auf uns zu. Kein echter "Trost" ist, dass diese Schwierigkeiten wohl erst die nächste Generation voll treffen würden. Denn, auch darüber herrscht weitgehend Einigkeit: Vor dem Jahr 2020 ist an eine großtechnische Einführung der viel beschworenen CO2-Abscheidung nicht zu rechnen.

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