Neues Personal, aber alte Probleme

Berlin. Franz Müntefering kann Partei. Frank-Walter Steinmeier kann Kanzlerkandidat. Ein ideales Duo also, um die SPD vor dem politischen Abgrund zu bewahren und aus der Krise zu führen? Auf den ersten Blick scheint es so. Müntefering war schon mal der Vorsitzende der sozialdemokratischen Herzen, bis er aus familiären Gründen von der Bühne verschwand

Berlin. Franz Müntefering kann Partei. Frank-Walter Steinmeier kann Kanzlerkandidat. Ein ideales Duo also, um die SPD vor dem politischen Abgrund zu bewahren und aus der Krise zu führen? Auf den ersten Blick scheint es so. Müntefering war schon mal der Vorsitzende der sozialdemokratischen Herzen, bis er aus familiären Gründen von der Bühne verschwand. Und Frank-Walter Steinmeier ist ein guter Außenminister, der sein politisches Handwerk unter Gerhard Schröder gelernt hat - einem Machtmenschen, wie er im Buche steht.Doch in der Wirklichkeit der SPD ist die neue Doppelspitze viel schwächer, als es aussieht. Warum hat Steinmeier nach dem unrühmlichen Abgang von Kurt Beck nicht auch gleich den Parteivorsitz beansprucht? Die Antwort ist einfach: Weil er mit seiner Partei womöglich noch mehr fremdelt als einst Gerhard Schröder. Für die Wähler mag Steinmeier zunächst eine Zugnummer sein. Für die Partei ist das nur schwer vorstellbar, zumal er für jene Schröder-Politik steht, mit denen viele Sozialdemokraten den Niedergang ihrer einst so stolzen Organisation verbinden. Ähnliches gilt für Franz Müntefering. Zwar kann der Sauerländer Säle in Begeisterung versetzen, wie sich jüngst wieder in München zeigte. Er bringt in schlichten und einprägsamen Sätzen auf den Punkt, was Kurt Becks verbale Bandwürmer nie vermocht hätten. Aber auch Müntefering trug in den vergangenen Jahren maßgeblich zur innerparteilichen Polarisierung bei. Er fühlte sich vom linken Parteiflügel verletzt und der linke Parteiflügel sich von ihm. Nun haftet Steinmeier auch noch das Image des Königsmörders an, dem Müntefering kräftig zur Hand ging. Beck selbst hat dieses Bild gemalt. Wenn es stimmt, markiert sein Rücktritt die größte Niederlage der SPD-Linken in der jüngeren Parteigeschichte. Wie soll aus diesen Wunden innerparteilicher Umgang in Würde entstehen?Fest steht, dass Steinmeier und Müntefering nicht einfach dort weiter machen können, wo Gerhard Schröder gescheitert ist. Eine Agenda-pur-Politik, für die das neue Tandem am glaubwürdigsten stünde, würde die innerparteilichen Gräben noch weiter vertiefen. Müntefering kann nicht einmal seine Intimfeindin Andrea Nahles entthronen, die gegen seinen Willen Generalsekretärin werden wollte und heute Parteivize ist. Selbst beim rot-rot-grünen Laborversuch in Hessen gibt es kein Zurück mehr. Da sind sämtliche SPD-Landeverbände vor. Im Grunde genommen bleibt Steinmeier und Müntefering nichts anderes übrig, als ähnlich zu lavieren wie der gestürzte Pfälzer Beck. Das Problem ist nur, dass die Öffentlichkeit ganz andere Erwartungen an die beiden hat. Wenn Steinmeier auf die Linken zugehen muss, dann werden sich die Wähler genauso die Augen reiben wie große Teile der Partei, falls er es nicht tut. Profitieren könnte am Ende die Linkspartei. Für Lafontaine ist das politische "Feindbild" jedenfalls noch stimmiger geworden als mit Beck. Denn Steinmeier und Müntefering sind Maschinisten der großen Koalition.Mag sein, dass sich die SPD erst einmal um das neue Duo schart. Aber das Personalkarussell ist kein Ersatz für eine inhaltliche Klärung. Entscheidend wird deshalb sein, ob die SPD nach der nächsten Bundestagswahl weiter mitregiert oder in die Opposition marschiert. Für letzteres spricht die innerparteiliche Zerrissenheit, der die Wähler überdrüssig sind. Müntefering und Steinmeier wären dann auch nur eine Episode wie Kurt Beck.

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