Das Saarland à la française

Sind wir nicht längst im siebten blau-weiß-roten Himmel? Schließlich gibt es hier im Bundesvergleich schon jetzt die höchste Dichte an deutsch-französischen Kindertagesstätten, Hochschulinstituten, Sekretariaten, Foren und Netzwerken. Täglich pendeln 18 000 französische Arbeitskräfte über die Grenze, 10 000 Franzosen wohnen im Saarland.

So ließe sich denn die neue "Frankreich-Strategie" durchaus mit einem Gähnen quittieren. Wäre da nicht erstmals ein wirklich konkreter, Erfolg versprechender Ansatz zu erkennen: Das öffentliche Leben soll im Saarland ab 2043 komplett zweisprachig ablaufen.

Für die Umsetzung ist allein die Landesregierung verantwortlich und daran zu messen: Broschüren und Informationsdienste in beiden Sprachen werden gebraucht, Verwaltungsposten müssen konsequent mit sprachkompetenten Leuten besetzt werden. Ein langer, strapaziöser Weg. Damit er zum Ziel führt, ist echtes Qualitäts-Controlling im Ministerialapparat unerlässlich. Sonst wird die Frankreichstrategie in zwei Jahren nur ein weiteres charmantes Visions-Bildchen an der Wand der Staatskanzlei sein. Weg damit - und her mit Querdenkern und Tabubrüchen.

Schade, dass eine nahe liegende Frage nicht am Anfang des Prozesses stand: Taugt Frankreich-Kompetenz überhaupt als Heilslehre fürs saarländische Image? Seit Jahr und Tag wartet die Öffentlichkeit auf einen nennenswerten wirtschaftlichen oder touristischen Ertrag dieses "Alleinstellungsmerkmals", das auch gestern wieder unreflektiert und reflexhaft beschworen wurde. Dabei müsste man nur mal die Perspektive wechseln. Wie werbewirksam empfänden Saarländer wohl das "tschechischste aller Bundesländer" Bayern? Wie attraktiv kommt Brandenburg als "Tor zu Polen" daher? Dennoch hielten bisher alle Saar-Regierungen die Gleichung "Frankreich macht sexy" für eine unverbrüchliche PR-Wahrheit .

Übersehen wird dabei das Kernproblem, das nicht mit dem Saarland, sondern mit dem Macht- und Ansehensverlust der "Grande Nation" zusammenhängt. Als Europa vor 50 Jahren gebaut wurde, galt Frankreich als Weltmacht. Die deutsch-französische Freundschaft war Motor und Garant des Einigungsprozesses. Nicht zufällig ist Französisch immer noch eine dominierende Verkehrssprache in der EU. Doch die Zeiten alten Glanzes sind vorbei. Das wissen auch junge Menschen - und lernen neben Englisch lieber Spanisch. Wer sich heute mit der Nähe zu Frankreich schmückt, wird eben nicht mehr selbstverständlich profitieren.

Dass es dennoch richtig und höchst begrüßenswert ist, wenn das Saarland seine Französisch-Kompetenz und die der Bürger stärkt, begründet sich nicht durch große materielle Vorteile. Es geht schlicht um einen Zuwachs an Lebensqualität. Himmlisch die Aussicht auf ein Miteinander ohne Sprachbarrieren.

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