Das Ende der Zurückhaltung

Mit dem Regierungswechsel geht still und heimlich auch ein Wechsel in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik einher. Statt der strikten „Kultur der Zurückhaltung“, wie sie Außenminister Guido Westerwelle (FDP) in der letzten Phase seiner Amtszeit propagierte, hält jetzt bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr wieder die „Kultur der Verantwortung“ Einzug.

Nicht immer, aber immer öfter. In besonderem Maße gilt dies für Afrika.

Unter Westerwelle war 2011 noch der Beschluss gefallen, der Nato bei ihrem Einsatz gegen Libyens Diktator Ghaddafi selbst die einfachste logistische Unterstützung zu versagen. Und natürlich auch die politische Rückendeckung. Berlin enthielt sich damals im UN-Sicherheitsrat. Und dieses Abstimmungsverhalten wurde zum Synonym für ein Deutschland, das auf der Weltbühne wichtig tut, aber militärisch lieber beiseite steht, wenn es ernst wird, und andere die Kastanien aus dem Feuer holen lässt. In der Zentralafrikanischen Republik, wo Frankreich ebenso wie in Mali versucht, das Vordringen von Islamisten zu verhindern, sollte sich dies ursprünglich wiederholen. Die Bundesrepublik werde sich "mit Truppen und Soldaten an dieser Mission nicht beteiligen", verkündete Kanzlerin Angela Merkel noch beim EU-Gipfel vor Weihnachten sehr entschieden. Und ließ Frankreichs Präsidenten François Hollande damit kühl auflaufen.

Jetzt aber setzt Frank-Walter-Steinmeier (SPD) als neuer Außenminister deutlich andere Akzente. Er erklärte sofort, dass es in Afrika nicht nur um französische, sondern auch um europäische Interessen gehe. Und dass Deutschland helfen werde. Daraus ergeben sich Konsequenzen - im konkreten Fall wird es wahrscheinlich logistische Unterstützung sein. Mit deutschen Flugzeugen, die bei Transporten helfen, und eventuell sogar mit deutschen Soldaten direkt am Flughafen der Hauptstadt Bangui, die den Güter-Umschlag schützen könnten. Außerdem könnte ein Teil der deutsch-französischen Brigade nach Mali entsandt werden, um Frankreichs Armee dort zu entlasten.

Das alles ist noch kein Kampfeinsatz und erst recht kein Kriegskurs. Aber es ist die verantwortliche Unterstützung für eine Aufgabe, die tatsächlich eine Gemeinschaftsangelegenheit ist. Wenn die Staaten Nordafrikas zerfallen, werden alle in Europa, auch die Deutschen, die negativen Auswirkungen bald zu spüren bekommen. Im Südsudan und bei der Verlängerung des Anti-Piraten-Einsatzes vor dem Horn von Afrika winken schon die nächsten Herausforderungen. Die Europäisierung der Afrika-Politik ist in vollem Gang. Und auch wenn es vielen nicht behagen mag: Deutschland kann nicht ökonomische Weltmacht in einem möglichst stabilen Umfeld sein wollen und zugleich bereits die Konflikte auf dem Nachbarkontinent ignorieren.

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