Vom steilen Aufstieg der britischen Polter-Partei

London · Nichts und niemand sollte den Triumph schmälern, den die rechte britische United Kingdom Independence Party (UKIP) am Wochenende feiern wollte: In der Umfrage einer britischen Zeitung waren die Euroskeptiker zur beliebtesten Partei des Königreichs aufgestiegen. Mit 27 Prozent Zustimmung liegen sie nun knapp vor der oppositionellen Labour-Partei (26 Prozent), die 25 Prozent für die regierenden Tories reichen nur für Rang drei.



Die Umfrage ist ein Schlag für die gestandenen Parteien. Doch auch der Freudentaumel der Populisten endete jäh - wegen der Ansichten eines Lokalpolitikers. David Silvester, UKIP-Ratsmitglied aus der Grafschaft Oxfordshire, bezeichnete die schlimmen Überschwemmungen der vergangenen Wochen im Brief an eine Lokalzeitung als Strafe Gottes. Zur Begründung spannte er einen weiten Bogen: Die Regierung von Premier David Cameron habe der Einführung der Homo-Ehe zugestimmt. Silvester schrieb, er habe Cameron bereits im April 2012 gewarnt, dass diese Entscheidung zu einem "Desaster" führen werde. Der Premier "handelte gegen das Evangelium".

Da war sie wieder, die Schmuddelecke, in der viele Kritiker die UKIP gerne sehen. Die Polter-Partei reagierte umgehend. Zunächst hieß es noch, Silvester habe das Recht auf eine eigene Meinung, seine Ansichten seien jedoch "nicht die der Partei". Doch aus Angst vor einem Skandal gab ein Sprecher wenig später bekannt, Silvester sei aus der Partei ausgeschlossen worden. Nicht zum ersten Mal hat die UKIP damit nur knapp die Kurve gekriegt: Bereits im September 2013 war der Europa-Abgeordnete Godfrey Bloom ausgetreten, der wegen beleidigender Aussagen in die Kritik geraten war. Staaten, die Entwicklungshilfe erhalten, nannte Bloom "Bongo-Bongo-Land". Und Frauen, die nicht hinter ihren Kühlschränken putzten, bezeichnete er als "Schlampen". Auch der Fall Bloom bremste den Aufstieg von Englands Populisten übrigens keineswegs.

David Cameron, der die UKIP früher eine "Ansammlung von Spinnern, Verrückten und verkappten Rassisten" nannte, weiß sehr wohl: Für seine Konservativen ist die Partei inzwischen zur ernsthaften Bedrohung geworden. Ihre europafeindliche Botschaft trifft auf der Insel nämlich auf fruchtbaren Boden. Rund 77 Prozent der Briten wünschen sich weniger Einwanderung, ergab eine Studie des Sozialforschungsinstituts NatCen. Boulevard-Medien machen zunehmend Stimmung gegen Migranten aus Osteuropa. Und Politiker verschiedener Couleur hecheln mit immer neuen Vorschlägen den Umfrage-Ergebnissen hinterher. UKIP-Chef Nigel Farage tritt dabei radikal auf. Fünf Jahre lang will er keine Immigranten mehr auf die Insel lassen, um Zeit für die Entwicklung einer neuen Einwanderungspolitik zu haben, sagte er kürzlich in einem BBC-Interview. In der Zwischenzeit könne man ja befristete Arbeitsgenehmigungen ausstellen. Zwar räumte Farage ein, dass seine Vorschläge den Austritt Großbritanniens aus der EU voraussetzen würden. Doch das ist ohnehin das langfristige Ziel seiner Partei.

Das Thema Zuwanderung hat Symbolwert in Großbritannien, und die Angst der etablierten Parteien vor der UKIP wird zunehmend spürbar. Bei der Europawahl 2009 war sie mit 16,5 Prozent hinter den Konservativen auf Platz zwei gelandet. Diesmal geht es um mehr. Farage will seine Partei im Mai zur stärksten Kraft machen. Es wäre ein Triumph für die Populisten und ein Paukenschlag für das Königreich.

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