Heiliger Hugo: Hommage an den Dadaisten Ball

Saarbrücken · Einst wollte Dadaist Hugo Ball die Bühnenkomposition „Der gelbe Klang“ inszenieren – der Erste Weltkrieg kam dazwischen. Ein Gastspiel der Musiker soylent sushi hat Ball jetzt in Saarbrücken eine Hommage kredenzt.

Hugo Ball hätte bestimmt große Freude gehabt an dieser Hommage, die ihm die Sparte 4 am Mittwoch kredenzte. 1916 hob der gebürtige Pirmasenser in Zürich den Dadaismus mit aus der Taufe. Zwei Jahre vorher wollte er Wassily Kandinskys abstrakte Bühnenkomposition "Der gelbe Klang" inszenieren - der Ausbruch des Ersten Weltkriegs verhinderte das.

Das holt die Saarbrücker Musiker-Formation soylent sushi, die seit 20 Jahren aktiv ist, gemeinsam mit Regisseurin Marion Rothhaar jetzt nach. Doch weder wollen sie in "A smell of Yellow" Kandinsky, wie das schon Frank Zappa tat, noch Ball historisch - und damit weihevoll - rekonstruieren. Vielmehr nehmen sie das Material, die Regieanweisungen, als Inspiration, um den Geist des Dada, seine Lust am Wort- und Sinn-Zertrümmern, seine subversive und rebellische Kraft ins Heute zu retten. Und das gelingt.

Schon die Kostümierung lässt ein Happening erwarten, in dem auch eine Prise Dilettantismus ihren Platz findet. In Anstreicher-Schutzanzügen mit Anonymus-Masken, Goldpapier-Helmen und Zahnbürsten-Hörnern und allerlei Wuschelfell-Besatz schreiten Kandinskys mythische "Riesen" zu sechst lässig auf die Bühne. Dessen Bergszenen verlegt die Truppe in saarländische Hügel, die als Filmaufnahmen, gemixt mit Echtzeit-Scrabbel und Polit-Monstern wie Le Pen und Trump, eine pralle Flimmerkulisse abgeben. Davor erlebt man herrlich skurrile Szenen: die Geburt eines Reptilmannes mit endloser Blumen-Nabelschnur als Live-OP, einen Flaschen-Automaten-Wächter, der dem Pfandflaschen-Sammler die Anweisungen per Megaphon zubrüllt.

Oder auch zwei Herren unter Volieren-Köpfen, die mit niedlichen Vogelzwitscherstimmen kommunizieren.

An Saxophon, Trompete, Gitarren, E-Bass, Schlagzeug und Keyboard verleihen die soylent sushi dazwischen mit eigenen Postpunkrock-Songs und allerlei Verzerrer-Effekten dem Dada eine neue, druckvolle Energie. Für Hugo liest man Dada-Sprüche von herumfliegenden Zetteln und macht sich auch gern mit Pampers in Denkerpose zum Affen. Viel Giggeln an diesem kurzweiligen Abend in der ausverkauften Sparte. Hugo Ball hätte sich auf die Schenkel geklopft.

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