Alte Musik im Saarland Die Jungbleiber der Alten Musik

Saarbrücken · Seit 25 Jahren fördert die Neumeyer-Akademie Alte Musik im Saarland und macht sie populär.

Nach des Tages Lasten des Abends beim Flöten rasten: Friedrich der Große bei einem Konzert in Schloss Sanssouci, so wie es sich Adolph von Menzel vorstellte (hier ein Ausschnitt seines berühmten Gemäldes, das in der Alten Nationalgalerie in Berlin hängt). Auch wie der Preußen-König musizierte, ist im Interesse der historisch informierten Aufführungspraxis. Friedrichs Flöte hatte beispielsweise keine Klappen wie heutige Querflöten.

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Gäbe es sie nicht, man müsste sie schleunigst erfinden: Seit einem Vierteljahrhundert brummt die Fritz-Neumeyer-Akadenie für Alte Musik im Saarland trotz ihres schleppend langen Namens wie ein tapferes Motörchen. Obwohl die Treibstoffanzeige meist kurz vor rot steht, sprich das Geld knapp zu werden droht, veranstaltet man unentwegt Konzerte, Vorträge, Kolloquien, lässt forschen, unterstützt die hiesige Musikhochschule, belohnt junge Musiker, die sich um die historisch informierte Aufführungspraxis mühen mit Förderpreisen (gemeinsam mit dem Saarländischen Rundfunk), hat eine feine Instrumentensammlung aufgebaut. Und – das ist das eigentliche Herzstück – man stemmt Jahr für Jahr sogar ein eigenes Festival: die Tage Alter Musik im Saarland, griffiger „Tamis“ genannt.

Summiert man all das, darf man getrost bilanzieren: Die Akademie hat hier die Alte Musik erst salonfähig gemacht hat. Wobei, Salon, das tönt gleich so elitär. Just „Tamis“ aber beweist mit seinem offenen Ansatz, auch dank aus Prinzip wechselnden künstlerischen Leitern (wie etwa Lutz Gillmann, Joachim Fontaine und Mechthild Blaumer), die Kino, Konzerte in Kostüm und unter freiem Himmel mitdenken, sogar Tafelfreuden samt Klanggenuss anrichten, wie man echtes Jedermanns-Vergnügen schafft – aber mit Anspruch. Bis zu 4000 Besucher hat „Tamis“ (die nächste Ausgabe startet übrigens in vier Wochen), bei rund 30 000 Euro Budget: Welcher Festivalmacher sonst schafft das? Und das, obwohl die Akademie keine wuchtige staatsalimentierte Institution ist, sondern das Privatvergnügen eines knapp 400 Mitglieder zählenden Vereins.

Eigentlich könnten die beiden Herren Professoren an der Spitze, Norbert Hartmann und Thomas Krämer, erster und zweiter Vorstand der Akademie, da mal zufrieden sagen: „alles gut“. Aber das passt ja so gar nicht zu ihnen. Und, sagt Thomas Krämer, lange Rektor der Hochschule für Musik Saar (HfM), „an der Grundnotwendigkeit für die Akademie hat sich eigentlich nichts geändert“. Damals, 1993, hatte die Musikhochschule weder die Mittel noch das Personal, um Alte Musik entsprechend zu vermitteln noch war es in der Musikwissenschaft hier ein großes Thema.

Und heute? Zwar hat die Alte Musik mit der Professur von Maurice van Lieshout an der HfM einen Brückenkopf; viel mehr aber nicht. Die private Akademie füllt also nach wie vor eine Lücke. Und obwohl Hartmann sie in den 25 Jahren immer mal gern enger mit der Hochschule verzahnt hätte, sieht er auch den großen Vorteil der Unabhängigkeit: „Man kann schneller agieren, tut sich leichter bei der Mittel-Einwerbung.“

Der Ökonom, frühere Manager und leidenschaftliche Musiker ist quasi sowas wie der Vater der Akademie und steht, nachdem der Organist Joachim Fontaine zwischenzeitlich übernommen hatte, wieder an der Spitze. Ein Unentbehrlicher eben. Neu steht ihm nun der frühere Musikhochschul-Rektor Thomas Krämer als Vize zur Seite. Also: Hartmann das Geld, und Krämer – hier ist nomen mal nicht omen – die Kunst, so verteilt sich grob die Arbeit, mit der sie die Akademie in die Zukunft führen wollen. Wobei Musiker wie Lutz Gillmann und Mechthild Blaumer weiter eine zentrale Rolle spielen sollen. Aber es gebe Einiges zu tun, meinen Hartmann und Krämer. Wie beinahe alle Kulturinstitutionen leidet auch die Akademie unter der Erosion des Bildungsbürgertums, muss den Nachwuchs händeringend suchen. Zwar habe man „treue Sponsoren“, sagt Hartmann, insbesondere die Finanzierung des „Tamis“-Festivals werde aber immer mehr zur Herausforderung.

 Jetzt sind ein 80-Jähriger (Hartmann) und ein 66-Jähriger nicht gerade das, was man einen jungen Vorstand nennt. Aber die beiden packen es mit der Energie der Jugend an – und zugleich der Überlegtheit der Erfahrung. Seit Krämer Emeritus ist, reißt man sich ohnehin um ihn. Auch die Musikfestspiele Saar haben ihn schon für ihren künstlerischen Beirat akquiriert. Nun will Krämer für die Akademie seine Kontakte nach Luxemburg nutzen, nach Frankreich mehr die Fühler ausstrecken, die Akademie mehr in der Großregion positionieren. Um die Mitglieder bei der Stange zu halten, will man auch ihnen mehr Programm anbieten, zudem auch jenseits des Festivals mehr Konzertpräsenz im Jahr zeigen und über all dem die Kernaufgabe nicht vergessen, „die professionelle Auseinandersetzung mit Alter Musik“. Und natürlich auch noch die eigene Nachfolge aufbauen. Da bleibt also viel, viel zu tun für diese junggebliebene Akademie für Alte Musik.