Keine Angst vorm Austrocknen

Die Saarländer haben Angst vor dem Verdursten. Wo sie gehen, stehen und sitzen, da trinken sie jetzt wieder, ach was, sie saufen wie die Kühe

Die Saarländer haben Angst vor dem Verdursten. Wo sie gehen, stehen und sitzen, da trinken sie jetzt wieder, ach was, sie saufen wie die Kühe. Auf dem Weg in den Kindergarten, vom Parkhaus zur Lottobude oder abends beim Spaziergang führt im Sommer etwa ein Drittel der Bevölkerung Wasserflaschen mit, und zwar in der irrigen Annahme, es dürfe erst gar kein Durstgefühl aufkommen, andernfalls der Tod durch Austrocknung drohe. Vermutlich wurde den Leuten dieser "Trinken-Trinken-Trinken!"-Unfug im Zuge der Hitzewelle 2003 von Berufshysterikern eingehämmert und hat sich regelrecht eingebrannt.Etwa 50 Jahre dauerte es, bis die Meldung vom angeblich üppigen Eisengehalt des Spinats als falsch kapiert war. Vermutlich gehen weitere 50 Jahre ins Land, bis die Leute begreifen, dass das übermäßige vorbeugende Wassertrinken den Salzgehalt im Blut derart absenkt, dass es zu tödlichen Hirnschwellungen kommen kann. Vermutlich sterben heutzutage zigfach mehr Personen in Mitteleuropa durch solch eine "Wasservergiftung" als durch Wasserentzug.

Jenseits des Medizinischen hat der Trinkwahn auch unfeine Nebenwirkungen im alltäglichen Zusammensein. Es wirkt zu vielen Gelegenheiten unangebracht und störend, Trinkflaschen an den Hals zu setzen. Außerdem hält der Bau öffentlicher Toiletten mit den neuen Trinkgewohnheiten nicht Schritt; zwei große Textil-Kaufhäuser, die zuletzt in der Saarbrücker Bahnhofstraße öffneten, verfügen erst gar nicht über Kunden-WCs. Folge dieses Notstandes: Auf den Straßen und Plätzen sind immer mehr Gepeinigte, Suchende und Wildpinkler anzutreffen. Es ist ja nun einmal so, dass Eintrübungen der öffentlichen Laune selten von fernen Kriegen herrühren, sondern von hiesigen Kleinigkeiten. Ehe so genannte Gesundheitspolitiker sich der Angelegenheit mit ihren Teufelswerkzeugen annehmen, darf man den Zeitgenossen nur raten: Keine Angst vorm Verdorren, dem Durst eine Chance!

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