EU kritisiert Rentenreform

Brüssel · Seit der Krise setzt Europa auf Sparprogramme und Haushaltssanierung. Bei der Europawahl konnten kleine Parteien mit ihrem Protest dagegen Stimmen gewinnen. Doch die EU-Kommission hält an ihrem Kurs fest.

Die EU-Kommission mahnt Deutschland wegen der jüngsten Rentenreform. Sie belaste "die Tragfähigkeit des öffentlichen Rentensystems". Die Brüsseler Behörde stellte gestern die Ergebnisse ihrer Haushaltsüberwachung der Mitgliedstaaten vor und gab Empfehlungen. Die Rentenreform verringere die Kaufkraft, weil die Mütterrente über Beitragserhöhungen finanziert werde. Stattdessen sollten versicherungsfremde Leistungen "durch Steuereinnahmen finanziert werden, um einen weiteren Anstieg der Sozialversicherungsbeiträge zu vermeiden", fordern die Brüsseler Experten. Deutschland müsse "mehr Anreize für einen späteren Renteneintritt" setzen. Die Rente mit 63 gibt Arbeitnehmern in Deutschland dagegen die Möglichkeit, ohne Abschläge verfrüht in den Ruhestand zu gehen - wenn sie 45 Jahre Beiträge gezahlt haben.

Die Kritik ist besonders peinlich für Berlin, weil die Bundeskanzlerin in Brüssel vehement Strukturreformen von anderen Staaten einfordert - nun aber daheim den Pfad der Tugend verlässt. Deshalb will Brüssel auch den Eindruck vermeiden, die EU sei damit einverstanden.

Die EU fordert Deutschland auch zum wiederholten Mal auf, die Inlandsnachfrage anzukurbeln - unter anderem durch Verringerung der hohen Steuer- und Sozialabgaben, insbesondere für Geringverdiener. "Länder mit großen (Export-)Überschüssen - auch Deutschland - sollen Maßnahmen ergreifen, um die Binnennachfrage zu stärken", unterstrich EU-Währungskommissar Olli Rehn. Zudem soll Berlin den vorhandenen Spielraum nutzen, um für "mehr und effizientere öffentliche Investitionen in Infrastruktur, Bildung und Forschung" zu sorgen.

Auch wenn Deutschland einige Kritik einstecken musste, gehört die Bundesrepublik dank seines weitgehend ausgeglichenen Haushalts zu den Vorzeigeländern. Die EU-Kommission will denn auch Forderungen nicht nachgeben, den Sparzwang zu lockern. "Wenn wir die öffentlichen Finanzen in der Spur halten, ist auch wieder Platz für Wachstum", sagte Kommissionschef José Manuel Barroso. Die Zahl der Länder, gegen die wegen Überschreiten der Drei-Prozent-Verschuldungsgrenze Verfahren laufen, hat sich in den vergangenen Monaten von 24 auf elf mehr als halbiert. Gerade jene Staaten, die wie Deutschland ihre Haushalte wieder in Ordnung gebracht haben, seien nun die Träger des Wachstums in der Euro-Zone sowie der gesamten EU, heißt es in den Papieren der Kommission. "Es gibt nämlich wieder Wachstum", bekräftigte Barroso. "Es gibt auch einen, allerdings zu langsamen Rückgang der Arbeitslosigkeit. Die öffentlichen Finanzen sind deutlich besser geworden als noch vor einem Jahr."

Es sei "völlig falsch", jetzt in jenen Schlendrian zurückzufallen, der die Krise mitverursacht habe. Diese Mahnung war vor allem an Frankreich gerichtet. Denn Paris hätte gerne mehr Zeit zur Haushaltskonsolidierung: erst recht nach dem Erfolg von Front-National-Chefin Marine Le Pen bei der Europawahl, die ein Ende des Sparkurses fordert. Die Konsolidierungsvorhaben des Landes entsprächen den Anforderungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts der EU nur "teilweise", befand die Kommission.

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