Wo ist die Leichtfüßigkeit Louis Begleys? Anders als in seinen Schmidt-Romanen pflegt der Amerikaner in "Erinnerungen an eine Ehe" einen allzu sachlichen Stil, der spröde und blutleer wirkt. Auch krankt der Roman an einer unentschlossenen Erzählhaltung: Sein Erzähler, ein arrivierter 70-jähriger Autor namens Philip, verschwindet oft hinter seitenlangen Beiträgen jener, mit denen sich Philip über das Scheitern einer Ehe unterhält. Das Scheitern soll sein nächster literarischer Stoff werden.

Begley führt uns in die amerikanische Upperclass - in eine Welt der Extreme, bestimmt von Allüren, Dekadenz und sexuellen Obsessionen. Im Kern geht es um die Frage, woran die Ehe zwischen der aus reichem Haus stammenden Lucy und dem zum Zeitpunkt von Philips Nachforschungen bereits seit zehn Jahren verstorbenen Investmentbanker Thomas zerbrach.

Philips Interesse an der Ehegeschichte wird ausgelöst von Veränderungen, die er an seiner alten Freundin Lucy wahrnimmt: Verbittert wirkt sie, als er ihr nach Jahren begegnet. Ihren Ex-Mann, der später mit einer attraktiven Journalistin verheiratet war, hasst sie. Lucy gibt ihm alle Schuld an ihrem Lebensunglück. Um zu verstehen, wer dieser von ihr als charakterlos beschriebene Thomas wirklich war, beginnt Philip alte Weggefährten zu befragen. Da ist die Hälfte des Romans vorbei. Je vielstimmiger dieser dann wird, umso mehr findet er sein eigentliches Thema: die Schwierigkeit, einem Menschen gerecht zu werden, der selbst nichts mehr zu seinem Bild beitragen kann. Wir erkennen nicht nur, dass sich Lucy selbst eine Falle gestellt hat mit ihrer Ehe. Sondern auch, dass (fast) jedes Leben voller Widersprüche ist. Um ein gutes Buch zu sein, ist das zu wenig.

Louis Begley: Erinnerungen an eine Ehe. Suhrkamp, 222 Seiten, 19,95 Euro.