Wie aus Reibung Spannung wird

Saarbrücken. Das Staatstheater wird noch weiblicher: Brigitte Heusinger folgt jetzt Berthold Schneider als Operndirektor nach. Intendantin Dagmar Schlingmann gelang es, die erfolgreiche Dramaturgin von Basel nach Saarbrücken zu holen. Das Theater Basel wurde in Heusingers Zeit dort gleich zwei Mal hintereinander (in den Spielzeiten 2008/2009 und 2009/2010) "Opernhaus des Jahres"

 Von Hause aus Psychologin zog es Brigitte Heusinger schon früh zum Theater. Foto: Astrid Karger

Von Hause aus Psychologin zog es Brigitte Heusinger schon früh zum Theater. Foto: Astrid Karger

Saarbrücken. Das Staatstheater wird noch weiblicher: Brigitte Heusinger folgt jetzt Berthold Schneider als Operndirektor nach. Intendantin Dagmar Schlingmann gelang es, die erfolgreiche Dramaturgin von Basel nach Saarbrücken zu holen. Das Theater Basel wurde in Heusingers Zeit dort gleich zwei Mal hintereinander (in den Spielzeiten 2008/2009 und 2009/2010) "Opernhaus des Jahres". Sinnlich und intellektuell funktionierende Theaterabende, profilierte Arbeit von interessanten Regisseuren, so lobten die Kritiker des Magazins "Opernwelt".Kunst auf der Bühne entsteht für Heusinger, wenn ein "analysierbares Gerüst" und unmittelbares Empfinden zusammenkommen, Gespürtes nachvollziehbar bleibt. Ursprünglich wollte die gebürtige Bremerin (Jahrgang '58) nicht zum Theater. "Ich wollte Kinder, einen normalen Beruf", sagt sie, einen mit normalen Arbeitszeiten. Sie studierte Psychologie und heiratete einen Musiker, einen Komponisten. Das Theater und die Oper rückten näher. Die erste Hospitanz war so geglückt, dass Heusinger denen Recht geben musste, die schon immer gesagt hatten: "Du bist Dramaturgin." Dietmar Schwarz, der jetzt die Intendanz der Deutschen Oper Berlin übernimmt, suchte immer wieder die Zusammenarbeit mit ihr, so auch während seiner Basler Zeit.

Basel, das hieß auch, die Zuschauer konzeptuell einzubeziehen. Mal wurde der Beginn eines Bühnenfestes ins Foyer verlegt, mal sollten die Zuschauer nach Geschlechtern getrennt sitzen - und immer gewinnt die Menschenkundlerin neue Ansichten. Das Theater ist für die Mutter zweier Töchter ein Ort der Begegnung. Im Mittelpunkt stehen Menschen. "Freundschaftliche Beobachtung, Betreuung und Lenkung", so ihr subtiles Verständnis von Direktorin sein. Nach Jahren im Ausland, der Schweiz und Österreich, kommt Brigitte Heusinger nun in Saarbrücken zum einen nach Deutschland, und zum anderen in eine funktionierende Theaterfamilie. Ein wichtiger Punkt für Heusinger, der es unerträglich wäre, wenn Duckmäuser auf der Bühne den Humanismus predigten. Sie mache nichts unbesprochen. "Wir - nicht ich", sagt sie. Das Gespräch sei wichtig, "um den Rat der anderen zu hören, und um es formuliert zu haben", so wird Intuition zum Plan.

Heusingers Vorgehen ist organisch, prozesshaft. So bringe es sie auch nicht aus dem Schritt, wenn der Regisseur kurz vor Beginn der Probe alles lieber ganz anders haben wolle. Dieses "anders" ist vermutlich Ergebnis eines gemeinsamen Durchdenkens des Stoffs. Heusinger mag die "Stolpersteine", das Abarbeiten an quer Stehendem. Es ist oft die Reibung, die der Geschichte zu mehr Spannung und Wahrhaftigkeit verhilft. Und nicht nur auf, auch hinter der Bühne, "eine Produktion ohne Konflikte ist nicht gut", es soll jeder seine Position vertreten.

Ihre erste Spielzeit in Saarbrücken ist vor allem dem lyrischen Genre gewidmet, und dem Kennenlernen des Ensembles. Eine Oper aus den 60er Jahren, "Aladin und die Wunderlampe" von Nino Rota, der vor allem durch seine Filmmusik ("Der Pate") bekannt wurde, Benjamin Britten mit "The turn of the screw", das sind die familientauglichen Vertreter der Neuzeit. Den Einstieg in die neue Spielzeit wird "Die Entführung aus dem Serail" geben. Heusinger liebt die Mozart-Opern, "in uns wohnen Gut und Böse, Euphorie und Zweifel", und dass bei Mozart die Geknechteten die feine, zarte Musik haben, während die Heroen mit vergleichsweise banaler Triumphmusik einmarschieren. Das, sagt die neue Operndirektorin, "entspricht ganz meinem Lebensgefühl".

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort