Wenn gurrende Tauben zu krächzen beginnen: Al Jarreau in Amnéville

Amnéville · Al Jarreau hat in der Jazz-Szene schon immer polarisiert: Entweder mag man seine Stimme – oder eben nicht. Während die einen seine Fähigkeit zu riesigen Tonsprüngen begeistert, sind die anderen genervt von Jarreaus all zu großem Hang zu Manierismen.

Für sein Alter gut in Form ist der 73-Jährige jedenfalls noch, wie er nun an außergewöhnlichem Ort bewies. Die Spielbank "Seven Casino" des Vergnügungsparks in Amnéville besitzt nämlich im Keller einen mittelgroßen, selbstverständlich mit Teppichboden ausgelegten Veranstaltungsraum, der für 400 Zuhörer (so viele wollten Jarreau sehen) ausreichend Platz bietet.

Der scheinbar immer gut gelaunte Entertainer präsentierte seinem Publikum eben jenes Gemisch aus stark geglättetem Soul, weich gespültem Funk und Kuschel-Jazz, das sein Markenzeichen ist; dazu erklang dieser eigenartige Gesang, der schon viele Kritiker zu Vergleichen mit der Ornithologie getrieben hat: Vom Basstölpel bis zur Lerche reicht da das Spektrum. Im Casino-Keller gurrte Jarreau jedoch meist wie eine Taube; altersbedingt hat sich nun auch die Krähe in seinen Stimmklang eingereiht.

Wohl deswegen zog der Star des Abends ein Kaninchen aus dem Zylinder in Form seines Bassisten Chris Walker, der sich als konventioneller Soul-Sänger herausstellte und so den Altmeister ein wenig entlasten konnte. Mit der Ballade "How do you heal a broken heart" hätte Walker es sicherlich bei Dieter Bohlen eine Runde weiter gebracht. Aus dem folgenden Duett Jarreau/Walker lief ebenfalls der Schmalz in Strömen. Abwechslung kam auf, als Gitarrist John Calderon seinen Solo-Part absolvierte zur perkussiven Begleitung von Jarreaus Stimme. Hat der seit bald 50 Jahren aktive Musiker am Ende das Beatboxen erfunden?

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