Abspeck-Kur fürs rollende Wohnzimmer

Stuttgart · Das Interesse an der gerade zu Ende gegangenen Freizeitmesse CMT lässt auf eine erfolgreiche Saison hoffen. Wohnwagen und Reisemobile sind wieder stärker gefragt. Entsprechend vielfältig ist das Angebot der Hersteller.

 Hymers neues Reisemobil Van S500 auf Basis des Mercedes-Benz Sprinters bleibt beim Gesamtgewicht unter 3,5 Tonnen. Foto: Hymer

Hymers neues Reisemobil Van S500 auf Basis des Mercedes-Benz Sprinters bleibt beim Gesamtgewicht unter 3,5 Tonnen. Foto: Hymer

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 Tabbert hat seinen tropfenförmigen Wohnwagen Tab komplett überarbeitet. Foto: mik

Tabbert hat seinen tropfenförmigen Wohnwagen Tab komplett überarbeitet. Foto: mik

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Schon der Düsseldorfer Caravan-Salon Anfang September vorigen Jahres zeigte, dass die Caravanbranche wieder wächst. Jetzt feierte die Camping-Industrie auf der Freizeitmesse CMT (Caravan, Motor, Touristik) in Stuttgart neue Absatz-Rekorde. Nie zuvor haben sich so viele Erholungsuchende für den Urlaub im rollenden Heim entschieden. 28 348 Reisemobile und 18 795 Wohnwagen wurden in Deutschland 2015 neu zugelassen.

Auf der CMT, der ersten großen Freizeitmesse des Jahres, zeigten die Hersteller ihre Neuheiten und die Besucher sich kaufwillig. Nicht nur im Heimatland, auch auf den anderen wichtigen Märkten in Europa laufen die Geschäfte gut; Experten rechnen mit einem weiteren Rekordjahr.

Dennoch plagt die Branche ein Problem. Die Hersteller wollen ihre Produkte abspecken, denn viele potenzielle Kunden dürfen keine Fahrzeuge chauffieren, die über 3,5 Tonnen Gesamtgewicht aufweisen. Wer seine Fahrerlaubnis nach 1999 erworben hat, braucht die zusätzliche Klasse C1, um wie früher Reisemobile bis zu 7,5 Tonnen steuern zu dürfen.

Wer älter als 50 Jahre wird, muss sie obendrein alle fünf Jahre mit einem positiven ärztlichen Gutachten erneuern. Außerdem fallen bei Fahrten in oder durch Länder mit Autobahnmaut für Reisemobile bis zu 7,5 Tonnen Gesamtgewicht deutlich höhere Gebühren für die Straßennutzung an.

Bei den Wohnwagen liegt die Schwierigkeit in den sinkenden Anhängelasten der Zugwagen. Das Motor-Downsizing (weniger Hubraum, dafür Turboaufladung) ist der Grund dafür. Ein Ford Mondeo, der immerhin zur Mittelklasse zählt, darf mit dem 1,0-Liter-Dreizylinder-Turbobenzinmotor gerade mal 900 Kilogramm auf den Haken nehmen. Viel zu wenig für einen Familien-Caravan mit vier Schlafplätzen. Die Hersteller kündigen daher grundlegende Veränderungen an. "Wir müssen uns von den traditionellen Werkstoffen wie Aluminium, Holz und Styrofoam-Isolierungen verabschieden", sagt Gerd Adamietzki, Geschäftsführer von Knaus-Tabbert. Er hat für die kommende Saison eine Umstellung bei Produktionsmethoden und Materialwahl angekündigt.

Auch die Zulieferer sind aufgerufen, Gewichte zu reduzieren. Zum Teil wählen sie dabei Ausstattungen mit einem Kompressor- statt einem Absorberkühlschrank, denn für den muss weniger Gasvorrat mitgeführt werden. Die Diät führt zu rund elf Kilogramm Gewichtsverlust. Aber auch Fahrzeuggrößen und Grundrisse werden überarbeitet.

Findige Lösungen wie eine Einrichtung mit Längsbetten bietet Hymer in der neuen Van-Serie an. Carthago rüstet den fast sieben Meter langen C-Tourer I 144 LE mit einem Variobett aus, das erst durch eine Verlängerung bis in die Duschkabine hinein Gardemaß erhält. Selbst dieser Komfortliner bleibt unter der 3,5-Tonnen-Grenze.

Hoch im Kurs stehen aus den genannten Gründen kompakte Reisemobile und ausgebaute Kastenwagen. Keiner von ihnen leidet unter Gewichtsproblemen. Der Komfort wird durch teils exquisite Materialzusammenstellungen und findige Grundrisslösungen erhöht. Noch kompakter wird es bei den Nachrüstlösungen für Kombis und Stadttransporter. Fiat Doblo, VW Caddy oder der Renault Kangoo werden mit modularen Einbauten wie Bett, Küchenblock oder Stauschränken zu wendigen, preisgünstigen, wenn auch kompromissbehafteten Freizeitfahrzeugen, deren Campingausrüstung schon für 5000 Euro zusammengestellt werden kann.

Bei den ganz großen Luxuslinern sind die Reihen in Stuttgart weniger dicht geschlossen als noch auf dem Caravan-Salon in Düsseldorf. Vario oder Action-Mobil waren nicht vertreten. Dafür zeigte Phoenix das volle Programm, darunter den überarbeiteten Liner auf MAN TGA, dessen Heckgarage an die Maße des neuen Smart Fortwo angepasst wurde. Zusammen mit dem Beiboot und ein paar Extras müssen gut 400 000 Euro für den Zwölftonner bezahlt werden. Auch Morello, Tochtermarke von Knaus-Tabbert, Concorde und Niesmann&Bischoff scheren sich kaum ums Gewicht. "Wir haben gar kein Angebot in der Klasse unter 3,5 Tonnen. Unsere Kunden haben sowieso den richtigen Lkw-Führerschein, weil uns bei vielen Modellen auch 7,5 Tonnen Gesamtgewicht nicht ausreichen", heißt es bei Phoenix aus dem bayerischen Aschbach.

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