Geo-Tracking Neue App soll Infektionsrisiko ermitteln

HANNOVER · Durch Standortdaten des Nutzers kann die Software GeoHealth das Risiko einer Ansteckung mit Corona erkennen.

 Programme wie die GeoHealth App sollen anhand der Standortdaten der letzten zwei Wochen des Nutzers erkennen, ob ein erhöhtes Risiko einer Infektion mit Corona besteht. Doch dabei stellt sich die Frage nach dem Datenschutz.

Programme wie die GeoHealth App sollen anhand der Standortdaten der letzten zwei Wochen des Nutzers erkennen, ob ein erhöhtes Risiko einer Infektion mit Corona besteht. Doch dabei stellt sich die Frage nach dem Datenschutz.

Foto: Getty Images/ iStockphoto/domin_domin

Ein lautes Niesen. Ein Husten. Und schon steht das Leben im näheren Umfeld des Übeltäters still. Wütende Blicke. Jemand flüstert „Corona“, dann lösen sich die Menschen in Zeitlupe wieder aus ihrer Schockstarre und gehen weiter – aber die Befürchtung, sich womöglich mit dem Virus angesteckt zu haben, bleibt.

In solchen Situationen soll GeoHealthApp künftig Klarheit bringen. Nutzer sollen über die Anwendung ermitteln können, ob sie in den vergangenen 14 Tagen Kontakt zu einer infizierten Person hatten und wie groß ihr persönliches Infektionsrisiko ist. Dazu wird das eigene Bewegungsprofil mit denen von Infizierten abgeglichen, die der App ihre Bewegungsdaten anonymisiert „gespendet“ haben. Je größer die Zahl der freiwilligen „Datenspender“, desto größer die Chance, die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen, so die Entwickler. Das individuelle Bewegungsprofil lässt sich aus dem Tracking – zu Deutsch Verfolgung – der Bewegungsdaten herleiten. Wer die App auf dem Smartphone installiert, stimmt dem Tracking zu.

Nach Abgleich der Daten erscheint auf dem Bildschirm eine Ampel, die dem Nutzer das persönliche Ansteckungsrisiko anzeigt: Leuchtet das grüne Licht auf, gibt es keinen Anlass zur Sorge. Bei Gelb besteht ein „gewisses Risiko“, die Wege des Nutzers und des infizierten Teilnehmers haben sich gekreuzt. Springt die Ampel auf Rot, bestand über einen längeren Zeitraum Kontakt. Der Nutzer erhält per App umgehend Hinweise zum weiteren Vorgehen. Zusätzlich enthält die Applikation eine interaktive Karte, die Gebiete mit hohen Infektionsraten kenntlich macht. Diese sollten gemieden werden; oder nur betreten werden, nachdem spezielle Schutzvorkehrungen getroffen wurden.

Wo mit so vielen sensiblen Informationen gearbeitet wird, kommt natürlich auch das Thema Datenschutz auf den Tisch. „Standortdaten eines Mobilfunkgeräts dürfen grundsätzlich nur mit Einwilligung des Nutzers als Betroffenem erhoben und verarbeitet werden“, erklärt die Pressestelle des Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit, Professor Dr. Johannes Caspar, auf Anfrage unserer Zeitung. Die Ausgestaltung der Einwilligungserklärung sei deshalb entscheidend – diese müsse informiert und freiwillig erfolgen. Dem fügt die Pressestelle hinzu: „Datenschutz ist Grundrechtsschutz. Grundrechte gelten nicht absolut, sondern können eingeschränkt werden, insbesondere wenn dies zum Schutz von Grundrechten anderer Personen erforderlich ist. In einer solchen Situation befinden wir uns derzeit.“

  Die GeoHealth App soll es für ­Android und iOS geben

Die GeoHealth App soll es für ­Android und iOS geben

Foto: Gutjahrdesign/geoHealthApp

Der Medizinstudent und Jungunternehmer Maxim Gleser und seine Kollegen Ibrahim Bölükbas und Robert Sachartschenko, die die App in Zusammenarbeit mit dem IT-Unternehmen Arit-Services aus Hannover entwickeln, sehen aber kein Problem darin, die Datenschutzrichtlinien einzuhalten. „Die Nutzung ist freiwillig, außerdem verlassen die Bewegungsdaten des App-Nutzers das Smartphone nicht. Rückschlüsse auf die Person sind also nicht möglich“, so Gleser.

Neben dem Datenschutz beschäftigt das Team zurzeit aber vor allem die Finanzierung der Software. Bislang zahlen sie alle anfallenden Kosten aus eigener Tasche. Eine kürzlich gestartete Crowdfunding-Kampagne soll Abhilfe schaffen, doch das erste veranschlagte Ziel von 20 000 Euro scheint in weiter Ferne. Bislang wurden nur knapp zwanzig Prozent der Summe erreicht. „Wir haben auch schon Gespräche mit staatlichen Behörden geführt und über mögliche finanzielle Unterstützung gesprochen“, sagt Gleser. Konkrete Zusagen gebe es aber noch nicht. Für den 25-Jährigen ist das nicht nachvollziehbar: „Im Vergleich zu den Summen, die aktuell zur Bekämpfung der Corona-Pandemie bereitgestellt werden, sind unsere finanziellen Forderungen doch nichts.“ Außerdem sei die App auch eine Investition in die Zukunft – bei künftigen Epidemien oder Grippewellen könne die Anwendung ebenfalls eingesetzt werden. An der Tatsache, dass GeoHealthApp allen Nutzern ab April kostenlos zur Verfügung gestellt werden soll, ändere die momentan frustrierende finanzielle Situation nichts.

Gleser und seine Kollegen stehen mit der Umsetzung ihres Projekts aber auch nicht alleine da. Sie kooperieren mit dem Mediziner Dr. Gernot Beutel und dem Geschäftsführer des Hamburger IT-Unternehmen Ubilabs, Jens Wille. Die beiden haben bereits Ende des Jahres 2019 gemeinsam das Konzept für eine webbasierte Datenanalyseplattform entwickelt, die mit einem GPS-Trackingansatz den Verlauf von Epidemien sehr genau erfasst. „Wir haben uns damals gefragt, wie man moderne Analysen des Geo-Mappings in der Medizin verwenden kann“, sagt Beutel. Mit der aktuellen „Corona-Welle“ sei die Entscheidung gefallen, sich speziell auf dieses Problem zu konzentrieren.

Beutel und Wille wollen mit ihrer Analyseplattform mit Behörden wie den Gesundheitsämtern zusammenarbeiten. Der Student Gleser und seine Kollegen sind mit ihrer App für die Bürger da.

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