Sensation perfekt

Saarbrücken · Philipp Hoffmann kannten bis gestern nur FCS-Experten. Seit gestern kennt ihn nicht nur jeder FCS-Fan. Auch Werder Bremen weiß nun, wer er ist. Den Namen Stegerer werden sie im Norden so schnell auch nicht vergessen.

 Philipp Kreuels, Tim Knipping, Pascal Pellowski, Tim Stegerer und Raffael Korte (von links) feiern das Tor zum 2:1 von Stegerer. Foto: Eibner

Philipp Kreuels, Tim Knipping, Pascal Pellowski, Tim Stegerer und Raffael Korte (von links) feiern das Tor zum 2:1 von Stegerer. Foto: Eibner

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 Jürgen Luginger, Trainer des 1. FC Saarbrücken, ist freudig erregt. Foto: Eibner

Jürgen Luginger, Trainer des 1. FC Saarbrücken, ist freudig erregt. Foto: Eibner

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"Gegen Saarbrücken kann man mal verlieren", klang es gestern aus den Kehlen der FCS-Fans unter den mehr als 15 000 Zuschauern im Saarbrücker Ludwigsparkstadion. Der Fußball-Drittligist 1. FC Saarbrücken feierte mit dem 3:1 (2:1, 1:1, 1:0) nach Verlängerung gegen Bundesligist Werder Bremen die Sensation in der ersten Runde im DFB-Pokal. Und das hochverdient. Trainer Jürgen Luginger konnte seine Mannschaft nicht genug loben: "Wir haben es läuferisch, von der Aggressivität, aber auch vom taktischen Verhalten dem Gegner ganz schwer gemacht. Ich hatte gesagt, dass gute Mannschaften ein Schlüsselerlebnis brauchen - ich hoffe, dass dieser Erfolg ein solches Erlebnis ist."

Sein Bremer Kollege Robin Dutt musste sich nach der Pleite im ersten Pflichtspiel für den neuen Arbeitgeber unangenehmen Fragen stellen. "Ich bin enttäuscht, es gibt nichts schön zu reden", sagte der ehemalige Sportdirektor des Deutschen Fußball-Bundes (DFB): "Ich muss einem verdienten Sieger gratulieren." Oder wie Luginger sagte: "Wer jetzt noch die Leistung des 1. FC Saarbrücken schmälert, der hat keine Ahnung von Fußball. Das Spiel war einfach sensationell."

Luginger hatte den FCS gestern auf vier Positionen gegenüber dem 1:5 in der Liga gegen Holstein Kiel umgestellt. Pascal Pellowski, Tim Stegerer, Thomas Rathgeber und Kapitän Marc Lerandy mussten raus. "Es war doch klar, dass nach zwei Niederlagen was passieren muss", sagte Luginger und überraschte dennoch: Neben Tim Knipping, Tim Kruse und Serkan Göcer brachte er Philipp Hoffmann aus dem Oberliga-Kader (siehe Text).

Nach 17 Minuten hatten die Saarländer erstmals den Torschrei auf den Lippen. Doch Marcel Ziemer brachte den Ball nicht im Tor unter. Er - wie die gesamte Mannschaft - begeisterte mit einem enormen Laufpensum. "Als Stürmer bist du erster Verteidiger", sagte Ziemer, der am Samstag 28 Jahre alt wurde, "aber Stürmer werden an Toren gemessen". Mit dem Halbzeitpfiff brachte jedoch Abwehrchef Nils Fischer den FCS in Führung. Nach einem Freistoß traf er in den Winkel. "Wir können ja auch ein bisschen Fußball spielen", scherzte Fischer, der nach 75 Minuten wegen seiner Schulterverletzung raus musste. Da hatte Werder bereits ausgeglichen. Sebastian Prödl nutzte eine der wenigen Unsicherheiten der FCS-Defensive (59. Minute). Doch Saarbrücken spielte unbeirrt weiter. Serkan Göcer (68.), Raffael Korte (71.) und wieder Göcer (90.) scheiterten nach sehenswerten Spielzügen an Bremens Torwart Sebastian Mielitz, der seine Mannschaft in die Verlängerung rettete.

Dort nahm die Sensation ihren Lauf. Der eingewechselte Tim Stegerer hielt aus 22 Metern einfach mal drauf, der Ball wurde abgefälscht und landete im Tor - das 2:1 (105.+1). Nach Vorarbeit von Göcer und des ebenfalls eingewechselten Philipp Kreuels besorgte Ziemer den 3:1-Endstand (112.) Um 16.56 Uhr beendete Schiedsrichter Robert Kempter die Partie und eröffnete damit die Feierlichkeiten. "Das waren wir unseren Fans schuldig", sagte Christian Eggert. Nach der kurzen Freude konzentrierte sich Luginger schon auf die kommende Aufgabe: "Wer im Pokal kommt, ist mir egal. Am Samstag spielen wir gegen Elversberg in der Liga. Das wird ein ganz anderes Spiel."Es wirkte nicht so, als hätte er gerade das Spiel seines Lebens hinter sich gebracht. Philipp Hoffmann holte kurz Luft und erklärte gestern gegen 17 Uhr in den Katakomben des Ludwigsparkstadions, dass Trainer Jürgen Luginger bereits am Freitag "zu mir gesagt hat, dass ich mich auf das DFB-Pokalspiel gegen Werder Bremen vorbereiten soll. So, als ob ich spielen würde". Dabei hat er noch nie in der ersten Mannschaft des 1. FC Saarbrücken gespielt.

Über das pfälzische Thallichtenberg kam Hoffmann über Miroslav Kloses Heimatverein, die SG Blaubach/Diedelkopf, 2007 zum FCS, wo er in der B 2-Jugendmannschaft begann und sich bis in die Oberliga-Elf spielte. Dort ist der 21-Jährige Kapitän. Er war beim Saisonauftakt gegen den SV Roßbach-Verscheid (3:1) an allen drei Toren des FCS II beteiligt. Dass der Sportstudent eine Woche später gegen Ex-Nationalspieler Clemens Fritz die linke Seite der Drittliga-Elf des FCS sichern sollte, war nicht absehbar. "Zumal ich noch nie auf links gespielt habe", sagte Hoffmann und erzählte, dass ihm Luginger "am Sonntagmorgen endgültig mitgeteilt hat, dass ich spiele". Und? "Ich habe mich gefreut." "Da muss man einfach mal mutig sein", erklärte Luginger die Entscheidung: "Einfach mal einem jungen Spieler bringen, was ich ja öfters mache", ergänzte er: "Das muss man auch mal sehen."

Das war auch vergangene Saison zu sehen, als Luginger Tim Stegerer ins Drittliga-Geschäft schmiss. Gestern saß Stegerer auf der Bank - obwohl er in den beiden ersten Saisonspielen ran durfte. "Ich war nicht sauer, dass ich auf die Bank musste", sagte Stegerer, "ich vertraue da ganz dem Trainer und seiner Taktik". Die lautete, ihn in Halbzeit zwei zu bringen. Und so stand der 25-Jährige in der 105+1. Minute "plötzlich völlig alleine 20, 25 Meter vor dem Werder-Tor. Da habe ich gedacht: Schieß doch einfach. Das habe ich dann gemacht". Dass der Ball auf dem Weg zum 2:1 abgefälscht war, hat er gesehen - doch das war egal. Das Gefühl, so "ein wichtiges Tor geschossen zu haben, war einfach ein überragendes Gefühl", sagte Stegerer und lief in die Fankurve zum Feiern.

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