Bergrennen Wenn die Sekunden am Berg liegen

Homburg · Freunde des Vierrad-Rennsports kamen am Wochenende beim 46. Homburger Bergrennen auf ihre Kosten. Der Gesamtsieger stammt aus Elzach in Baden-Württemberg.

30 Sekunden zeigt die digitale Startuhr an. Die Zeit beginnt zu ticken. Der Fahrer weiß, gleich wird es ernst. Behutsam lässt er sein Gefährt aus der Vorstartaufstellung in Richtung der Linie rollen, von der er in den Wald losgelassen wird. Noch 20 Sekunden. In Fahrtrichtung links steht ein Einweiser bereit, gibt per Handzeichen an, wann die finale Startposition erreicht ist. Einmal kurz auf die Bremse treten. Der Renner steht. Auf der anderen Seite des Rennwagens steht der Kollege des Einweisers, ausgestattet mit einem Metall-Gestell, welches er vor ein nicht angetriebes Rad schiebt. So rollt das Auto nicht weiter.

Der Start beim Homburger Bergrennen hat eine Besonderheit: Er findet auf einem Bergab-Stück statt, was sehr ungewöhnlich, fast einzigartig für Bergrennen ist. Noch 15 Sekunden. Die Uhr tickt. Noch 10 Sekunden. Ein letztes Mal tief durchatmen. Noch 5 Sekunden. Der Motor heult auf. 3, 2, 1. Feuer frei! Mit quietschenden Reifen geht es raus auf die 2,6 Kilometer lange Strecke, die sich zwischen Homburg und Käshofen durch den Wald schlängelt. Keine 200 Meter später ist der Renner um die erste Linkskurve verschwunden. Fahrer und Gefährt haben sich in das Abenteuer des 46. Homburger Bergrennens gestürzt und die Bestzeit im Visier. Im Ziel winken Punkte für die Teilnehmer der Punkte für die Deutsche Automobil oder die Luxemburger Bergmeisterschaft.

Es ist ein begeisterndes Spektakel, angesiedelt irgendwo zwischen Profi- und semi-professionell betriebenem Amateur-Rennsport, gefühlt abgehoben, betrachtet man so manche Maschine, dennoch jederzeit zum Greifen nah. Wenn beim gemütlichen Schlendern durch das Fahrerlager die Piloten, Konstrukteure und Rennstall-Betreiber, gerne auch in Personalunion, zu einem kleinen, spontanen Plausch bereit sind. Ein Spektakel, das auf der Piste zu einem Tanz auf der Rasierklinge mutiert, zwischen der Suche nach Zehntelsekunden und der Gewissheit, dass ein kleiner Fehler im Desaster enden kann. Auslaufzonen gibt es nicht auf der kurvenreichen Strecke. Ein Ausritt endet bestenfalls mit einem kleinen Blech- oder Carbonschaden.

Das musste auch Sascha Herz erfahren, als er seinen Dallara T12 im zweiten der drei Samstag-Trainingsläufe kurz vor dem bei Zuschauern beliebten Streckenabschnitt Brückchen unfreiwillig im Graben „parkte“. Wo Bäume, die im Ernstfall keinen Zentimeter zurückweichen, die natürliche Streckenbegrenzung bilden, ist es umso wichtiger, dass in solchen Momenten die direkte Entwarnung folgt. „Dem Fahrer ist nichts passiert“, heißt es dann per Lautsprecher-Durchsage. „Die Strecke in Homburg ist sehr anspruchsvoll. Beim Brückchen ist die Straße sehr wellig“, weiß der erfahrene Pilot Franz Weißdorn aus Bayern. 240 „Pferdchen“, knapp 180 Kilowatt, drücken seinen 725 Kilogramm leichten VW Polo nach vorne. „Wenn man hier einen kleinen Fehler macht, ist sofort eine halbe Sekunde weg. In unserer Klasse entscheidet das schnell über Sieg oder Niederlage.“ Weißdorn belegte nach den drei Läufen, deren Zeiten addiert werden, den 35. Gesamtrang. In seiner Klasse eilte er auf Platz drei mit einer Gesamtzeit von von 4:28,889 Minuten.

Für die Zuschauer, von denen am gesamten Wochenende rund 2000 nach Homburg gekommen waren, ist nicht nur die Jagd nach der schnellsten Zeit Teil der Faszination Bergrennen. Bereits das imposante Auftreten der hochgezüchteten Fahrzeuge lässt die Herzen von Motorsport-Interessierten und -Unerfahrenen gleichermaßen höherschlagen. So auch die der ortsansässigen Thomas und David Traumer, die bis dato laut eigener Aussage nahezu keine Berührung mit dem Vierrad-Rennsport hatten. „Es gibt ein paar wunderschöne Autos, allein vom Aussehen. Dann natürlich die Highlights beim Start. Das Hochreißen und Aufheulen des Motors.“ Wenn zum Beispiel Publikumsliebling Holger Hovemann seinen Opel Kadett GT/R, angetrieben von einem 5,7 Liter V8 Lotus-Aggregat, auf die Strecke loslässt, die ersten Meter eher quertreibend denn längsbeschleunigungs-optimiert zurücklegt und sich das tiefe Motorgrollen mit zunehmender Geschwindigkeit und Drehzahl in ein mächtiges Brüllen verwandelt. Wenn zum Beispiel der Ferrari F355 des Schweizers René Ruch die Gehörgänge aller Anwesenden mit seinem kreischenden Zytek V8-Sound stimuliert und dabei selbst eingefleischten Fans der Formel 1-V10-Ära ein Lachen ins Gesicht treiben dürfte. „Es ist einfach viel näher. Man kann direkt an den Autos vorbeilaufen. Man kommt bis auf wenige Meter an die Strecke heran“, staunen die Traumers weiter.

Den Gesamtsieg sicherte sich Alexander Hin in seinem Osella PA30 in einer Gesamtzeit von 3:37,351 Minuten. Dahinter folgten Thomas Conrad (CRS MTK S5/7, 3:45,340) und Christian Triebstein (Dallara F302, 3:46,785).

 Jochen Stoll vom Homburger Automobilclub war in Gruppe E1 als Zweiter mit seinem Porsche 911 GT3 Cup schnell auf der 2,6 Kilometer langen Strecke unterwegs.

Jochen Stoll vom Homburger Automobilclub war in Gruppe E1 als Zweiter mit seinem Porsche 911 GT3 Cup schnell auf der 2,6 Kilometer langen Strecke unterwegs.

Foto: Hagen/Markus Hagen
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