Ratlose Bayern: "Es herrscht nur noch Frust"

München. Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge nahmen ihre Brillen ab, packten sie bedröppelt in die Etuis. Was sie von der Tribüne aus selbst durch die rosarote Vereinsbrille gesehen hatten, war ernüchternd, ja deprimierend. Stumm verdrückten sich der designierte Präsident und der Vorstands-Chef

München. Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge nahmen ihre Brillen ab, packten sie bedröppelt in die Etuis. Was sie von der Tribüne aus selbst durch die rosarote Vereinsbrille gesehen hatten, war ernüchternd, ja deprimierend. Stumm verdrückten sich der designierte Präsident und der Vorstands-Chef. Die letzte Szene des blamablen Auftritts zuvor war typisch für das verkorkste Spiel: Jörg Butt und Holger Badstuber verfehlten den Ball, den Marouane Chamakh ins leere Tor schob. 2:0 für Girondins Bordeaux in der 90. Minute.

Mit versteinerter Miene ging Trainer Louis van Gaal in die Kabine, wo ihm nichts Besseres einfiel, als den niedergeschlagenen Spielern mitzuteilen: "Das Leben geht weiter." Auch ohne Champions League. Die Phrase von der Hoffnung, die zuletzt stirbt, kennt er wohl nicht. Oder sie fiel ihm im Augenblick tiefer Depression nicht ein. "Wir haben noch eine kleine Chance", stammelte er: "Das müssen wir immer im Hinterkopf haben." Immerhin. Dumm nur, dass "wir von anderen abhängig sind". Bordeaux ist durch. Wenn Turin am 25. November beim französischen Meister gewinnt, ist der FCB raus, abgestiegen in die Europa League. "Cup der Verlierer", hatte Franz Beckenbauer einst gelästert, um 1996 als Teamchef diesen Trostpreis zu gewinnen. In Bordeaux. Gewinnt Juventus nicht, kommt es am 8. Dezember zum Endspiel in Turin. Vorausgesetzt, die mittelmäßigen Bayern besiegen zu Hause wenigstens Maccabi Haifa (25. November).

Das Spiel an diesem Mittwoch sorgte jedoch für Endzeitstimmung. Mark van Bommel reagierte nicht beim Freistoß, ließ Yoanne Gourcuff ungehindert den Ball zum 0:1 ins Tor köpfen (37. Minute). "Das Tor geht auf meine Kappe", übernahm der Kapitän die Verantwortung. Manchem der 66 000 Zuschauer lag trotz der schwachen Vorstellung der Torschrei auf den Lippen, ehe Miroslav Klose am elfmeterreifen Handspiel Michael Cianis scheiterte, als Luca Toni, van Bommel und die eingewechselten Arjen Robben und Mario Gomez in der besseren zweiten Halbzeit Chancen zum 1:1 ausließen. "Wir haben Chancen kreiert", zählte van Gaal wie zur Rechtfertigung auf. Aufzählungen zählen nicht.

Einen Stürmer wie Gomez hat er demontiert. Wie soll der vom 30-Millionen-Einkauf zum Bankdrücker degradierte Angreifer das Selbstbewusstsein aus Stuttgarter Zeiten besitzen?

Die von van Gaal beschworene Kreativität bekommt der System-Taktiker nicht auf den Platz, solange Franck Ribéry und an dessen Seite Robben fehlen. "Wir können im Moment nicht den französischen Meister einfach wegspielen", so seine Erkenntnis. Der vermisste Ribéry ist van Gaals Alibi für sein alternatives "konzentriertes Positionsspiel" und das "Einhalten der Ordnung". Doch die gerät durcheinander, wenn er von Spiel zu Spiel rotiert - diesmal aber gezwungenermaßen, da Daniel van Buyten und Thomas Müller gesperrt waren.

Wer links Edson Braafheid und Danijel Pranjic, beide van Gaals Einkäufe, wursteln sah, musste wehmütig an die Schokoladenseite Philipp Lahm, Ze Roberto und Ribéry zurückdenken. Doch was hilft's? "In der Champions League muss man in bester Form sein. Und die hatten wir heute nicht", klagte van Gaal. Fragt sich: Warum? Kein Tempo, mehr Quer- und Rück- als Offensivpässe.

"Es fehlte die Durchschlagskraft nach vorne", sagte Ottmar Hitzfeld. Der einstige Bayern-Erfolgstrainer ergänzte: "Ich habe erst rotiert, wenn man erfolgreich war und ein paar Spiele gewonnen hatte."

"Wenn man verliert, ist bei Bayern immer Unruhe", weiß van Gaal die Zeit bis zum Samstag-Spiel gegen Schalke einzuordnen. Die Situation brachte Lahm auf den Punkt: "Wir stehen mit dem Rücken zur Wand. Es herrscht nur noch Frust."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort