"Massives Korruptionsproblem"

Hamburg. Der Profi-Handball manövriert immer tiefer in den Sumpf aus Bestechung und Korruption: Jetzt schilderte der deutsche Schiedsrichter Jürgen Rieber in einem Bericht von NDR INFO einen konkreten Fall und belastete auch die Europäische Handball-Föderation (EHF) schwer

Hamburg. Der Profi-Handball manövriert immer tiefer in den Sumpf aus Bestechung und Korruption: Jetzt schilderte der deutsche Schiedsrichter Jürgen Rieber in einem Bericht von NDR INFO einen konkreten Fall und belastete auch die Europäische Handball-Föderation (EHF) schwer. Am Vorabend eines Champions-League-Spiels der Damen im Januar 2006, bei der sich laut NDR der russische Club Lada Togliatti und der dänische Verein Slagelse DT gegenüber standen, sei seinem Kollegen auf der Toilette ein Zettel gereicht worden, auf dem gestanden habe: "Wir müssen dieses Spiel gewinnen." Zunächst sei von 10 000 Dollar Bestechungssumme die Rede gewesen, später von 20 000. "Wir haben natürlich beide abgelehnt", sagte Rieber am Donnerstag dem Radiosender. "Unsere Leute haben nichts Falsches oder Schlechtes getan. Korruption in Deutschland schließe ich aus", sagte der Schiedsrichterwart des Deutschen Handballbundes (DHB), Peter Rauchfuß, der Deutschen Presse-Agentur. Wie der Geschäftsführer der Handball-Bundesliga (HBL), Frank Bohmann, bestätigte Rauchfuß den Vorfall. "Es scheint ein massives Korruptionsproblem zu geben. Das schlägt in die Kerbe, von der Lemme und Ullrich berichtet haben", sagte Bohmann. Die Magdeburger Referees Frank Lemme und Bernd Ullrich hatten ähnliche Fälle angedeutet, nachdem ein Bestechungsversuch bei einem Europacup-Spiel unter ihrer Leitung publik geworden war. Beide Männer bestreiten, Geld angenommen und eine Partie manipuliert zu haben. Ihr Kollege Rieber wird seit Jahren gemeinsam mit Holger Fleisch eingesetzt. Nach Angaben Riebers haben die beiden deutschen Referees nach Rücksprache mit Rauchfuß den Bestechungsversuch noch vor dem Spiel beim anwesenden EHF-Delegierten angezeigt. Später hätten sie einen ausführlichen Bericht an den Dachverband gesandt. Eine Reaktion der EHF sei ausgeblieben. Fleisch und er hätten "inoffiziell eine Quittung bekommen, dass wir ein halbes Jahr international nicht mehr angesetzt wurden", sagte Rieber. Der Bestechungsversuch soll von einem Betreuer des russischen Clubs unternommen worden sein. "Das stimmt so. Wir haben das der EHF weitergegeben", sagte Rauchfuß. EHF-Wettbewerbsmanager Markus Glaser verwies darauf, dass dieser Vorfall untersucht werde. Der Eindruck, dass die EHF nicht an einer Klärung interessiert sei, könne entstehen, "weil diese Fälle weit zurückliegen und erst jetzt auf den Tisch kommen", sagte er gegenüber dem NDR. Spätestens bis Juni will die EHF Licht ins Dunkel der Manipulationsvorwürfe bringen. "Allein schon deshalb, damit wir ohne Vorbelastung in die Spielzeit 2009/2010 gehen können", sagte EHF-Generalsekretär Michael Wiederer der Tageszeitung "Die Welt". Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) plant indes keine eigene Untersuchungskommission. "Es ist furchtbar, was da passiert, aber es gilt die Unschuldsvermutung", sagte DOSB-Generaldirektor Michael Vesper. Zugleich erhoffen sich die Verantwortlichen von den Ergebnissen einer Umfrage unter 300 Schiedsrichtern und 150 Delegierten, Informationen zu Auffälligkeiten, die es seit 2006 gegeben hat. "Es ist furchtbar, was da passiert."Michael Vesper, Deutscher Olympischer Sportbund

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