Tour de France Kittels Sprint in die Tour-Geschichte

Bergerac · Mit seinem vierten diesjährigen Tour-Etappensieg hat Marcel Kittel gestern Erik Zabel überflügelt. Er führt jetzt die deutsche Rangliste mit 13 Tageserfolgen an.

 Tour de France-Etappe_11

Tour de France-Etappe_11

Foto: SZ/Michael Steffen

Sprintkönig Marcel Kittel hat den 15 Jahre alten deutschen Tour-Etappenrekord Erik Zabels gebrochen und sich ein sportliches Denkmal gesetzt. Bei der 104. Frankreich-Rundfahrt führte Kittel die Konkurrenz auch im Massensprint der 10. Etappe vor und siegte in überlegener Manier zum insgesamt 13. Mal bei der Großen Schleife — so oft wie kein anderer deutscher Fahrer. John Degenkolb aus Gera machte als Zweiter einen Thüringer Doppelsieg perfekt.

„Ich kann es nicht glauben, bin überglücklich. Vier Etappensiege — ich bin überwältigt“, sagte Kittel: „Den Rekord alleine zu haben, bedeutet mir sehr viel. Als ich mit dem Radsport begonnen habe, konnte ich mir nicht einmal vorstellen, je die Tour zu fahren.“

Der 29 Jahre alte Quick-Step-Star baute zudem seinen Vorsprung im Kampf um das Grüne Trikot aus. Hatte er am vergangenen Freitag noch hauchdünn im Fotofinish triumphiert, setzte sich der Arnstädter diesmal mit mehreren Radlängen Vorsprung auf Degenkolb (Trek-Segafredo) durch. Rüdiger Selig (Zwenkau/Bora-hansgrohe) machte als Vierter das grandiose deutsche Ergebnis perfekt.

Routinier André Greipel setzte indes eine glücklose Tour fort. Obwohl das Lotto-Team des Rostockers in der Anfahrt aufs Ziel viel Arbeit leistete, kam der 34-Jährige nur auf Platz zwölf. Das Gelbe Trikot des Gesamtführenden behauptete der britische Titelverteidiger Christopher Froome problemlos.

Erneut wirkte Kittel äußerst souverän, obwohl es der Zielbereich in Bergerac in sich hatte. Zwei scharfe 90 Grad-Kurven auf den letzten 1000 Metern – noch dazu auf einer schmalen Straße – waren ein gefährliches Handicap. Glücklicherweise ging das riskante Finale ohne Stürze ab. Die letzten 5000 Meter fuhren André Greipels Teamkollegen in vorderster Front, zum Schluss spielte der dreimalige deutsche Meister aus Rostock aber wieder keine Rolle. Kittels neues Erfolgs-System – ganz spät in den Wind – funktionierte wegen seiner Explosivität auch in Bergerac perfekt. Gegen seine Coolness scheint es zur Zeit kein Rezept zu geben.

Kittel, der 2013 und 2014 ebenfalls viermal bei der Tour gesiegt hatte, setzt seine Rekordjagd bereits heute fort, wenn die elfte Etappe in Pau am Rande der Pyrenäen mit dem nächsten Massensprint enden dürfte. Fünf oder mehr Etappensiege bei einer einzigen Tour hat in der Geschichte der Frankreich-Rundfahrt als einziger reiner Sprinter Mark Cavendish erreicht: Der Brite gewann 2009 sechs Mal, 2010 und 2011 sicherte er sich jeweils fünf Erfolge.

Der Tour-Rekord ist für Kittel aber wohl unerreichbar: Charles Pelissier (1930), Eddy Merckx (1970/1974) und Freddy Maertens (1976) siegten jeweils acht Mal bei einer Großen Schleife. Merckx hat mit 33 auch die meisten Etappensiege überhaupt vorzuweisen.

Die Reihe der Kontrahenten hatte sich sichtlich gelichtet: Cavendish – verletzt ausgestiegen. Peter Sagan – ausgeschlossen worden. Arnaud Démare, dem Kittel am Freitag bei Etappensieg drei das Grüne Trikot abgenommen hatte – auf der Königsetappe am Sonntag am Zeitlimit gescheitert. Dementsprechend schauten alle auf Kittel, doch der Thüringer hielt dem Druck problemlos stand. Am ehesten hielt noch Degenkolb mit, der aber keine realistische Chance auf seinen ersten Etappensieg bei einer Frankreich-Rundfahrt hatte. Kittels Vertrag im belgischen Quick-Step-Team läuft übrigens aus. Noch während der Tour will der Hüne Sicherheit haben, wohin die Reise 2018 geht. Argumente für eine Aufstockung seiner Bezüge hat er bereits geliefert.

Nach den schweren Stürzen am Sonntag und dem folgenden Ruhetag blieb die zehnte Etappe lange unspektakulär. Die französischen Ausreißer Yoann Ofredo (Wanty-Groupe Gobert) und Elie Gesbert (Fortuneo-Oscaro) fuhren 170 Kilometer lang an der Spitze, wurden aber überpünktlich gestellt.

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