Großangriff auf die Sportgerichtsbarkeit

München · Es könnte der größte Schadensersatz-Prozess der deutschen Sportgeschichte werden. Und er könnte zudem die internationale Sportgerichtsbarkeit aushebeln. Eisschnellläuferin Claudia Pechstein hofft, dass das Münchner Landgericht heute ihren Fall annimmt.

Größter Schadensersatz-Prozess der deutschen Sportgeschichte - oder nur ein Schlag ins Wasser? Claudia Pechstein steht vor dem Finale ihres Kampfes um Rehabilitation. Die fünfmalige Eisschnelllauf-Olympiasiegerin fordert vor dem Münchner Landgericht wegen ihrer zweijährigen Sperre vom Weltverband ISU und der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG) eine Millionensumme an Schadensersatz. Pechstein verspricht sich von der Klage neben einer Verbesserung ihres ramponierten Rufes vor allem eine Entschädigung für ihre Verluste durch Werbeausfälle, medizinische Gutachten und Gerichtskosten. Sie verlangt nach Angaben des Gerichts 3,5 Millionen Euro Schadensersatz und 400 000 Euro Schmerzensgeld.

"Ich bin stolz darauf, dass wir so weit gekommen sind", sagte die 41 Jahre alte Bundespolizistin. Die Berlinerin, die mittlerweile wieder zur Weltspitze gehört und im Februar in Sotschi ihre sechsten Olympischen Spiele erleben will, war 2009 wegen erhöhter Blutwerte und ohne positiven Dopingtest von der ISU für zwei Jahre gesperrt worden.

Pechsteins Strategie zielt auf ein möglicherweise fehlerhaftes Vorgehen des Internationalen Sportgerichtshof CAS ab. Der CAS als letzte sportgerichtliche Instanz hatte die zweijährige Sperre wegen angeblichen Blutdopings bestätigt. Pechsteins Anwalt listete eine Mängelliste auf, die das Verhalten des CAS ausgezeichnet haben soll. Heute wird das Landgericht in München prüfen, ob es den Fall annimmt. Sollte es so sein, wird der Richter wohl einen Vergleich vorschlagen. Die Dauer des Verfahrens würde davon abhängen, wie viele Zeugen vernommen werden müssten. Das Landgericht steht auch vor der Frage, ob es durch eine Entscheidung pro Pechstein die internationale Sportgerichtsbarkeit mehr als in Frage stellt. Denn Nachahmer könnten dann auf den Geschmack kommen, die Autorität der Verbände und des CAS in Lausanne in der Schweiz anzuzweifeln.

Sollte das Gericht den Fall ablehnen, zieht die sechsmalige Weltmeisterin vor das Oberlandesgericht. Dass ihre Geldforderungen die Verbände an den Rand ihrer Existenz bringen könnten, beunruhigte Pechstein nicht. "Ich muss an mich denken", sagte sie. Obwohl insbesondere die DESG finanziell aus dem letzten Loch pfeift, wollte Pechsteins Anwalt Thomas Summerer von einer möglichen Liquidation nichts wissen: "Da gibt es ja auch noch Dachorganisationen wie den Deutschen Olympischen Sportbund, die einspringen könnten."

Die DESG reagierte gelassen, sieht sich nicht in der Verantwortung. Der Weltverband indes äußerte sich wie in all den Jahren nicht. "Dort geht man davon aus, dass der Fall durch das Sportgericht in Lausanne abgeschlossen ist", sagte Summerer.

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