Götz sieht sich als Teil der Wende

Saarbrücken · Falko Götz spielte beim BFC Dynamo in der DDR-Oberliga. Dann nutzte er eine Europacup-Reise nach Jugoslawien zur Flucht und machte in der Bundesliga Karriere. Heute blickt der Trainer des 1. FC Saarbrücken zufrieden zurück.

 Falko Götz ist heute Trainer des 1. FC Saarbrücken, aber sein Leben hätte auch ganz anders verlaufen können. Fotos: Karmann/dpa/pmk/Archiv

Falko Götz ist heute Trainer des 1. FC Saarbrücken, aber sein Leben hätte auch ganz anders verlaufen können. Fotos: Karmann/dpa/pmk/Archiv

Als Millionen Menschen am 3. Oktober 1990 den Tag der Deutschen Einheit feierten, hatte Falko Götz sein Glück längst gefunden. Schon sieben Jahre zuvor war der einstige Fußballprofi auf einer Europacup-Reise mit dem DDR-Meister BFC Dynamo in den Westen geflohen und kickte bereits erfolgreich in der Bundesliga. "Es ist nicht so, dass auf meine Kosten eine große Party stattfinden würde. Aber andersherum glaube ich schon, dass ich einen ganz, ganz kleinen Anteil daran habe, dass die Mauer gefallen ist", sagt Götz vor dem 25. Jahrestag der Wiedervereinigung.

Rückblende: Am 2. November 1983 spielt der Lieblingsclub von Stasi-Chef Erich Mielke im Cup der Landesmeister bei Partizan Belgrad. Am Vormittag dürfen die Spieler für eine halbe Stunde shoppen gehen. Diese Chance nutzt der damals 21-Jährige, um sich gemeinsam mit Teamkollege Dirk Schlegel abzusetzen. "Die Freiheitsliebe, die ich in mir gespürt habe, hat dazu geführt, dass ich die DDR verlassen habe", begründet Götz die waghalsige Flucht.

Im DDR-System fühlte er sich begrenzt, eingeengt, benachteiligt. Obwohl er beim Aufnahmetest für die Sportschule den dritten Platz unter 80 Kandidaten belegt, wird er ohne Begründung abgelehnt. Für den damals 14-Jährigen ein Schock. Zum ersten Mal fühlt er, dass es in der DDR nicht immer nach Leistung geht. "Ich habe sie als Unrechtsstaat angesehen, der Menschen bevormundet und aktiv eingegriffen hat in die Talente von Menschen, die sich weiterentwickeln wollten", sagt Götz.

Bremsen lässt er sich dadurch nicht. Auch ohne die Förderung auf der Sportschule spielt er sich in den Vordergrund - und mit 19 in die DDR-Juniorenauswahl. Bei einem Spiel in Schweden spricht ihn ein Talente-Scout an. Götz ist sofort elektrisiert von dem Gedanken, einmal in der Bundesliga zu spielen.

Zwei Jahre später sieht er den richtigen Moment gekommen. Schon vor der Abreise nach Belgrad verabschiedet er sich von den Eltern und seinen zwei Schwestern. Obwohl sie auf Schritt und Tritt von Stasi-Leute überwacht werden, gelingt es Götz und Schlegel, unbemerkt aus einem Kaufhaus zu entwischen und mit einem Taxi die BRD-Botschaft zu erreichen. Dort erhalten sie Pässe mit falschen Namen. "Ich habe frühzeitig Entscheidungen treffen müssen, die auch politischer Natur waren und mein ganzes Leben hätten negativ beeinflussen können, wenn es schief gegangen wäre", erklärt Götz: "Von daher sehe ich mich immer als Teil der Wende."

Zunächst geht es mit dem Auto nach Ljubljana, von dort mit dem Nachtzug nach München. Schon als sie ohne Probleme die Grenze zu Österreich passieren, fällt der immense Druck ab. "Das war ein Moment der Freude, den ich so in dieser Form nie wieder erlebt habe", berichtete Götz einmal der Zeitung "Die Welt".

Der 2010 verstorbene Jörg Berger - vier Jahre zuvor ebenfalls über Jugoslawien aus der DDR geflohen - vermittelt dem Duo elf Angebote aus der Bundesliga. Die Wahl fällt auf Bayer Leverkusen , wo Götz Karriere macht und 1988 sogar den Uefa-Cup gewinnt.

Später wird er mit dem 1. FC Köln deutscher Vizemeister und holt mit Galatasaray Istanbul zwei Titel in der Türkei. Als Trainer arbeitete er in der Bundesliga bei Hertha BSC und 1860 München, war in Kiel, Vietnam, Aue und versucht nun, den 1. FC Saarbrücken wieder in die 3. Liga zu führen.

"Ich bin ein Kind dieses Mauerfalls, weil ich in beiden Systemen gelebt habe und Vorzüge und Nachteile beider Systeme kennen gelernt habe. Es macht mich stolz, wie sich mein Leben entwickelt hat", sagt Götz heute zufrieden. Und weil er sein Glück selbst gesucht und gefunden hat, misst er dem 3. Oktober persönlich nicht zu viel Bedeutung bei: "So ein Jubiläum ist eine schöne Sache. Aber es spielt nicht die allerwichtigste Rolle in meinem Leben."

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