Führungslos und ahnungslos

Frankfurt · Die Kür eines neuen DFB-Präsidenten ist zunächst auf Eis gelegt. Im Vordergrund soll erst die Aufarbeitung der WM-Affäre stehen. Franz Beckenbauer, die Schlüsselfigur, meldete sich nun erstmals zu Wort.

Dem Deutschen Fußball-Bund bleibt eine drohende Zerreißprobe vorerst erspart. Bei einer viereinhalbstündigen Sondersitzung hat sich das Präsidium des durch die WM-Affäre schwer angeschlagenen Verbandes auf eine gemeinsame Linie verständigt und die Dissonanzen zwischen Profis und Amateuren - zumindest öffentlich - beigelegt. "Wir sind zu der gemeinsamen Auffassung gelangt, dass die Aufarbeitung der Vorgänge rund um die WM 2006 Vorrang hat", erklärte Liga-Boss und DFB-Interimspräsident Reinhard Rauball nach dem Spitzentreffen am Freitag in Frankfurt .

Die Suche nach einem Nachfolger für den zurückgetretenen DFB-Präsidenten Wolfgang Niersbach wird erst einmal auf Eis gelegt. Es gibt weder einen Terminplan für einen außerordentlichen Wahl-Bundestag noch für eine Strukturreform. "Wir sind uns einig, dass es nicht um einen Kopf, sondern die Aufarbeitung einer sehr bedrückenden Affäre geht", sagte Schatzmeister und Präsidentschaftskandidat Reinhard Grindel.

Deshalb will Rauball auch schnellstmöglich das Gespräch mit Franz Beckenbauer suchen, der mit Vorwürfen in Richtung DFB-Spitze nach Wochen sein Schweigen gebrochen hat. Im Gespräch mit der "Süddeutschen Zeitung" beklagte der "Kaiser", dass die DFB-Interimspräsidenten Rauball und Rainer Koch ein von ihm in einem vertraulichen Brief angebotenes persönliches Gespräch über die Vorwürfe in Zusammenhang mit der WM-Vergabe abgelehnt hätten. "Was ist denn das für ein Niveau?", fragte der 70-Jährige. Er wolle "bei diesem Gespräch nach bestem Wissen und Gewissen Rede und Antwort stehen". Der Ehrenpräsident des FC Bayern München beklagte aber, dass weder Koch noch Rauball ihm persönlich geantwortet hätten. "Wenn man sich so lange kennt und dann kommt keine Reaktion, und Du bekommst alles nur im Fernsehen mitgeteilt: Ja, wo samma denn?"

Beckenbauer, der 2006 Präsident des WM-Organisationskomitees war, gab sich in seiner ersten großen Stellungnahme weitgehend ahnungslos. Der Vorwurf der Bestechung sei "falsch, wir haben doch gar kein Geld gehabt", sagte er der "Süddeutschen": "Klar, wenn wir vor der Vergabe irgendwo hingefahren sind, nach Trinidad oder sonstwohin, dann war ja klar, dass wir dort nicht zum Kaffeetrinken sind, sondern weil wir die Stimme haben wollten. Wir haben auf den Wert unserer Bewerbung hingewiesen."

Beckenbauer "franzelte" über die heiklen Themen hinweg. So habe er den dubiosen Vertragsentwurf mit dem früheren Fifa-Vize Jack Warner vom 2. Juli 2000 blind unterzeichnet. "Ich habe immer blind unterschrieben, wenn sie meine Unterschrift gebraucht haben", sagte Beckenbauer.

Die Zahlung der ominösen zehn Millionen Schweizer Franken an die Fifa bestätigte Beckenbauer, gab sich aber bezüglich der Hintergründe unwissend. Sein Berater und OK-Vize Fedor Radmann habe den Vertrag mit dem mittlerweile gesperrten Katarer Mohamed bin Hammam , Mitglied der Fifa-Finanzkommission, eingefädelt. "Fedor sagte: Wir bekommen 250 Millionen Schweizer Franken . Aber wir müssen der Finanzkommission vorher zehn Millionen Franken zahlen", sagte Beckenbauer: "Ich hab' nur die 250 Millionen gesehen. Mir als minderem Kaufmann stellte sich damals nicht einmal die Frage."

Meinung:

Öffentliches Schauspiel

Von SZ-RedakteurKai Klankert

Dass die aktuelle und designierte Führungsspitze des Deutschen Fußball-Bundes die Aufklärung der WM-Affäre 2006 in den Vordergrund und die Präsidenten-Wahl in den Hintergrund rückt, ist ja löblich. Nur hätte das bereits Anfang der Woche passieren können, passieren müssen.

Stattdessen haben die Landesverbände mit ihrer schnellen Einigung auf Reinhard Grindel als Kandidat für die Nachfolge von Wolfgang Niersbach nicht nur die Deutsche Fußball Liga brüskiert, sondern den Millionen Mitgliedern und Fans in Deutschland wieder mal gezeigt, dass das Streben nach Macht, dank der zügigen Vergabe von Posten, immer im Mittelpunkt steht und stehen wird.

Der Schulterschluss zwischen Landesverbänden und Liga von Freitag ist nicht mehr als ein öffentliches Schauspiel , um Ruhe reinzukriegen. Der Machtkampf wird weitergehen, denn wenn Grindel Präsident wird, was wahrscheinlich ist, wird ja sein Posten als DFB-Schatzmeister frei.

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