Das Duell der Besten um die KroneBrite Andy Murray greift zum zweiten Mal nach Grand-Slam-Titel

Melbourne. Es gab Momente, in denen das gemeinsame Ziel in weite Ferne rückte, Momente des Zweifels, der Bedrängnis, der Frustration, der Wut übers eigene Versagen

Melbourne. Es gab Momente, in denen das gemeinsame Ziel in weite Ferne rückte, Momente des Zweifels, der Bedrängnis, der Frustration, der Wut übers eigene Versagen. Aber dass sie am Ende ihre traumhafte Endspiel-Verabredung in der Rod-Laver-Arena dann doch perfekt machten, die kleine, zähe Belgierin Justine Henin und die bullige amerikanische Athletin Serena Williams, zeigte nur eins in aller Deutlichkeit auf: Die frühere Marktführerin aus Europa, gerade erst 28 Tage zurück im Geschäft, und die jetzige Nummer eins der Tenniswelt sind im frühen Stadium der Saison 2010 das Maß aller Dinge - zwei Spielerinnen, deren Duell auch über das Finale der Australian Open am Samstag (9 Uhr unserer Zeit) hinaus die Machtfrage im Tour-Geschäft bestimmen wird. "Justine und Serena sind die außergewöhnlichsten Spielerinnen der Gegenwart. Dieser Kampf wird das Damentennis prägen", sagt US-Legende Billie Jean King.

Im Halbfinale gingen so auch die chinesischen Tenniswochen zu Ende, das Märchen von Li Na und Jie Zheng, die ihrem Riesenreich mit dem kollektiven Einzug in die Runde der letzten Vier einen bisher einmaligen Coup beschert hatten. Doch anders als Zheng, die gegen Henin in 51 Minuten 1:6, 0:6 vom Platz vertrieben wurde, leistete Na gegen Titelverteidigerin Williams heftige Gegenwehr. Erst in zwei Tiebreak-Sätzen spielte sich Williams mit 7:6 (7:4), 7:6 (7:1) ins ultimative Match vor.

Dort treffen nun zwei Spielerinnen aufeinander, die vom Rest der Tenniswelt vor allem dies unterscheidet: die irritierende Gemütsruhe und Konzentration bei den wichtigen Punkten. Der unerschütterliche Glaube, Spiele umdrehen zu können, "die andere längst aufgegeben haben" (Martina Navratilova). Und die Härte gegen sich selbst und den eigenen Körper, die es möglich macht, ans Limit zu gehen. "Viele Spielerinnen, die sich für Stars halten, sind Sternchen - wenn man sie mit Henin und Serena vergleicht", sagt Ex-Weltklassespielerin Pam Shriver.

In Melbourne zeigten die Rückkehrerin Henin und jene Serena Williams, die selbst vor drei Jahren einen atemraubenden Australian-Open-Triumph als Nummer 81 der Weltrangliste geschafft hatte, aus welchem Holz sie geschnitzt sind. Wenn es heiß wird in der Arena, wenn es knapp und brenzlig zugeht, wenn die Gefahr des Ausscheidens droht, dann spielen beide ihre ganze Klasse aus. Williams lag im Viertelfinale gegen die Weißrussin Viktoria Azarenka mit 4:6 und 0:4 zurück, ehe sie eine unwiderstehliche Aufholjagd zum Sieg startete, es war ein Spektakel der besonderen Art. Henin hatte ihre bedrohlichen Momente schon früher hinter sich gebracht, in Runde zwei gegen Russlands Olympiasiegerin Jelena Dementiewa, mehr aber noch in Runde drei gegen die stämmige Alisa Kleybanowa - da lag sie beim 3:6, 1:3-Rückstand tiefrot im Minus, spielte sich aber wie eine Entfesselungskünstler wieder frei aus dem Schlamassel.

13 Mal haben die ungleichen Superstars bisher gegeneinander gefightet, die scheue Flämin und die extrovertierte Showmacherin aus Kalifornien, aber kein einziges Mal spielten sie soweit in einem Grand-Slam-Finale um einen der ganz dicken Pötte. So seltsam ist das allerdings nicht, denn wie ihre Schwester Venus schenkte auch Serena Williams dem alltäglichen Tourgeschäft in der Vergangenheit wenig Beachtung - mit der Folge, dass sie bei den großen Turnieren schwach gesetzt war und frühzeitig auf Spielerinnen wie Henin traf. 2007, im Jahr von Williams' Comeback, trafen sie sich nacheinander in Paris, in Wimbledon und bei den US Open auf dem Centre Court - jeweils im Viertelfinale, jeweils mit Henin als Siegerin. Bevor die Belgierin im Frühjahr 2008 ihr (vorübergehendes) Karriereende verkündete, hatte sie gerade das letzte gegenseitige Match haushoch verloren, 0:6 und 2:6 in Miami. "Aber der Rückzug hatte damit gar nichts zu tun", sagt Henin, "ich brauchte Abstand vom Tennis. Denn ich hatte nur noch Tennis im Kopf."

Abstand, den sich auch Serena immer wieder nimmt - ohne gleich den Abschied vom Tennis zu verkünden. Eine gewisse Wesensverwandtschaft gebe es mit Henin, sagt die US-Amerikanerin, "eine sportliche allerdings nur": "Wir sind Spielerinnen, die für große Matches geschaffen sind. Wir lieben diese Bühne. Wir holen dann immer das Beste aus uns heraus." Aus sich, aber auch aus der Gegnerin, wie Henin findet: "Serena ist eine Gegnerin, an der man wächst. Eine ganz große Spielerin, die eine würdige Nummer eins ist." Die Nummer eins wird Williams zunächst bleiben. Ganz gleich, was am Samstag passiert. Doch Henins Schnellstart deutet auf harte Verteilungskämpfe in der Zukunft hin. Sehr zur Freude des Publikums.Melbourne. Tennisprofi Andy Murray hat bei den Australian Open sein zweites Grand-Slam-Tennisfinale nach den US Open 2008 erreicht. Obwohl er gestern im Halbfinale gegen den Kroaten Marin Cilic den ersten Satz des Turnierverlaufs abgeben musste, setzte sich der 22-Jährige souverän mit 3:6, 6:4, 6:4, 6:2 durch und erwartet nun Rekord-Champion Roger Federer oder den Franzosen Jo-Wilfried Tsonga. In dem spannenden Grundlinien-Duell zweier starker Spieler hatte Murray das Quäntchen Glück auf seiner Seite und steigerte sich schließlich zu einer großartigen Leistung. Der 21-Jährige Cilic, vom früheren Boris-Becker-Trainer Bob Brett betreut, schien im vierten Satz mit seinen Kräften am Ende zu sein. Drei Fünfsatz-Matches hatte der Weltranglisten-14. bereits in den Knochen. Murray könnte bei einem Turniersieg Platz zwei der Weltrangliste einnehmen. dpa

"Viele Spielerinnen, die sich für Stars halten, sind Sternchen - wenn man sie mit Henin und Serena vergleicht."

Pam Shriver, ehemalige Weltklasse-

Tennisspielerin

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