Ohne Schiedsrichter kein Spiel Teufelskreis Schiedsrichtermangel"Im Saarland ist man nichts, da ist man Freiwild"

Saarbrücken. "Die 150 Euro pfeifen mir kein Spiel", stellt Dirk Schmitt (Foto: SZ), Vizepräsident des Handballverbands Saar (HVS), unmissverständlich klar. 150 Euro - das ist die Geldstrafe, die der Verband den Vereinen pro fehlendem Schiedsrichter im Aktiven- und Jugend-Regionalligabereich aufbrummt. Allerdings tut er das nicht gerne

Saarbrücken. "Die 150 Euro pfeifen mir kein Spiel", stellt Dirk Schmitt (Foto: SZ), Vizepräsident des Handballverbands Saar (HVS), unmissverständlich klar. 150 Euro - das ist die Geldstrafe, die der Verband den Vereinen pro fehlendem Schiedsrichter im Aktiven- und Jugend-Regionalligabereich aufbrummt. Allerdings tut er das nicht gerne. "Wir wären froh, wenn wir das nicht tun müssten", seufzt Schmitt. Aber dem HVS bleibt keine Wahl. "Im Saarland gibt es 119 Handball-Schiedsrichter. Ende der 80er waren es noch fast 300", erinnert sich Sigurd Gilcher, Vizepräsident für Spieltechnik, "davon fallen uns im Saarland neun aus, die in der Bundesliga pfeifen. Ähnlich ist es mit dem Regionalliga-Aufgebot. Da fehlen uns auch wieder sechs Schiedsrichter." Und schon wird es für die Partien in den unteren Spielklassen knapp. "Wenn wir mit der Einteilung in den unteren Klassen fertig sind, fällt beispielsweise ein Schiri in der Regionalliga aus und wird dann aus der Oberliga genommen. Und so setzt sich das fort, bis wir irgendwann Spiele absagen müssen", klagt Dirk Schmitt. "Theoretisch müssten wir allen Schiedsrichtern sagen, dass sie Samstag und Sonntag pfeifen müssen, aber wer will schon zwei Tage hintereinander weg sein? Außerdem sind viele Schiedsrichter auch Trainer oder Betreuer, oder sie sind mal krank oder im Urlaub."Das Problem sieht der Handballverband in dem Bewusstsein der Vereine. "Die Anzahl der Vereine, die mit mehr als zehn Mannschaften am Spielbetrieb teilnehmen, aber selbst keine Schiedsrichter zur Verfügung stellen, wird immer größer", sagt HVS-Präsident Jürgen Fried (Foto: SZ), "jeder erwartet, dass er zu seinem Spiel am Wochenende einen Schiedsrichter eingeteilt bekommt. Aber wenn keine Schiedsrichter vorhanden sind, können auch keine eingeteilt werden."Um das Problem anzugehen, hat der HVS im vergangenen Jahr schon eine Maßnahme ergriffen. Mit dem Projekt "Jugend pfeift Jugend" (JpJ) hat der Handballverband in die Wege geleitet, dass jugendliche Handballer der Vereine die eigenen Spiele der ganz Kleinen pfeifen. "JpJ hilft auf jeden Fall, andernfalls könnten wir den Spielbetrieb kaum aufrecht erhalten", freut sich Sigurd Gilcher und Schmitt fügt hinzu: "Wir haben dadurch nicht nur Personen gewonnen, sondern auch richtig gute." Außerdem bekommt jeder Schiedsrichter eine Vergütung, sobald er sein Soll von 25 Spielleitungen pro Saison überschreitet. "Die Ausbildung, in die er investiert, bekommt der Schiri auch wieder zurück", erklärt Dirk Schmitt. Die Maßnahme, das Strafgeld von 50 auf 150 Euro zu erhöhen, scheint hingegen nichts gebracht zu haben. "Ich habe gedacht, das Telefon würde ununterbrochen klingeln", sagt Dietmar Keller, der Geschäftsführer des HVS, "aber es hat sich kein einziger Verein beschwert."Saarbrücken. Die Quelle der Schiedsrichter ist der Verein. Er muss Schiedsrichter stellen, oder es kommt eine Geldstrafe auf ihn zu. Aber nicht jeder Verein kann sein Soll erfüllen. Alle Clubs müssen Schiedsrichter stellen, doch die Vereinswelt spaltet sich. Auf der einen Seite stehen diejenigen, die mehr Schiris ausgebildet haben, als sie bräuchten. Auf der anderen Seite gibt es noch die Vereine, die zu wenige oder gar überhaupt keine Schiedsrichter stellen. Aber woran liegt das? "Die Arbeit als Schiedsrichter ist heute kein Zuckerschlecken mehr", meint Patrik Spang, Vizepräsident des HC Fischbach, "Jungschiedsrichter verlieren irgendwann die Lust, weil sie massiv angegangen werden." Anfeindungen während und nach Spielen sowie ellenlange Diskussionen, deren Ton so manches Mal auch unter die Gürtellinie geht, sind keine Seltenheit.Der HC Fischbach gehört zu den Vereinen, die keinen Schiedsrichter im Club haben. "Wir sollen eigentlich sieben oder acht stellen", gesteht Patrik Spang, "aber wir zahlen die Strafe. Es gibt keine andere Möglichkeit." Denn trotz Maßnahmen des Vereins will keiner der Handballer Spiele leiten. "Schiedsrichter in unserem Verein müssen keinen Beitrag mehr leisten", erklärt Spang, "aber mit Geld kann man keinen mehr locken. Die Schiris machen dann statt 25 plötzlich 50 Spiele und wollen nicht mehr." Es scheint ein Teufelskreis zu sein. Ohne ausreichend Schiedsrichter müssen diejenigen, die noch pfeifen, noch mehr Partien leiten. Und dadurch springen wieder viele ab. Dennoch gibt es Vereine wie beispielsweise den HSV Wemmetsweiler, die sechs Schiedsrichter stellen müssen, aber es sogar auf sieben bringen. "Zu Saisonbeginn fragen wir immer, wer Interesse an ,Jugend pfeift Jugend' hat", erzählt Thilo Beenen, der Vorsitzende des HSV, "das entsteht also insbesondere durch die gute Jugendarbeit. Aber bei uns war es auch eine Zeitlang so, dass keiner Interesse hatte." Beenen kann gut nachvollziehen, warum. "Wenn ich mal am Wochenende frei hatte und ein Spiel pfeifen wollte, dann waren es am Ende plötzlich vier. Das ist schon belastend", erinnert sich der HSV'ler. Seine Konsequenz: Er hat seine Schiedsrichtertätigkeit an den Nagel gehängt.Saarbrücken. Norbert Zintel (Foto: SZ) war 13 Jahre Schiedsrichterwart beim Handballverband Saar (HVS), sollte also wissen, wovon er redet, wenn es um das Thema Schiedsrichter geht. Noch heute pfeift er mit seiner Ehefrau im Gespann Handballspiele. Aus der Verbandsarbeit hat er sich aber zurückgezogen. Die Linie des streitbaren ehemaligen Berufssoldaten und die des Verbandes waren offenbar nicht in Einklang zu bringen. Zu seinen Zeiten, erklärt Norbert Zintel, waren im Verband noch etwa 300 Schiedsrichter tätig. Eine Zahl, von der der HVS heute träumt. "Ich war 33 Jahre Berufssoldat und habe immer sehr geradlinig gepfiffen. Der Verband hat gesagt, wir seien hier nicht beim Bund, und ich müsse auch mal ein bisschen ab- und zugeben. Aber ein bisschen Kreis ist eben auch Kreis", erinnert sich der Schiri an die Gründe, weshalb sich seine Wege und die des Verbandes trennten.1991 hat Norbert Zintel das "Jahr der Schiedsrichter" organisiert, um die Unparteiischen positiv darzustellen. "Das kann man nicht kopieren", sagt er. Sein Vorschlag: "Man muss leistungsgerechte Lehrabende einführen, den Jungschiris die Fahrtkosten erstatten. Es müsste Crashkurse für alte Spieler geben, denn die kommen aus der Materie. Schiedsrichter zu sein ist nicht mehr lukrativ, es gibt keine Fairness in der Halle. Im Saarland ist man nichts, da ist man Freiwild." Das sei in anderen Bundesländern anders. Zintel erzählt, dass in anderen Landesverbänden Mannschaften abgemeldet werden, wenn die Vereine ihre Soll-Leistung an Schiedsrichtern nicht erfüllen können.Und es gibt sie aber doch - die eisernen Schiedsrichter, die trotz allem immer wieder in die Halle fahren. So etwa Thomas Lentes, der seit fünf Jahren Spiele bis zur Verbandsliga pfeift. "Ich habe mich dafür entschieden, weil ich handballverrückt bin", meint der 47-Jährige. Wie auch Zintel. "Als alter Handballer will ich natürlich bei meinem Hobby bleiben", sagt Zintel. Aber vom Saarland hält er sich fern: "Zu 90 Prozent pfeife ich überregional. Da macht es mehr Spaß." cjo

Auf Einen BlickDie Schiedsrichterausbildung im Handballverband Saar wird seit längerem in Form von Kompaktkursen abgehalten. Die Schiedsrichteranwärter bekommen dafür Ausbildungsmaterial zur eigenen Vorbereitung und erhalten an einem Wochenende eine Theorie- und Praxisschulung (Regel- und Fitnesstests), sowie Kenntnisse zu organisatorischen Grundlagen an einem zusätzlichen Abendtermin (Schiedsrichtereinteilprogramm, Spielvorbereitung, das Ausfüllen von Spielberichten).Dazu werden regelmäßige Fortbildungen vom Verband angeboten. Sie beinhalten unter anderem eine Videoschulung, Regelkunde und Regelauslegung und finden vier bis fünf Mal im Jahr (für zwei Stunden) statt. Das Eingangsalter für Anwärter ist das vollendete 16. Lebensjahr. cjo Infos in der HVS-Geschäftsstelle bei Dietmar Keller, E-mail geschaeftsstelle@hvsaar.de, Telefon (06 81) 38 79 247).

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