Das Alter, aber nicht den Riesen besiegt

Zürich. Evander Holyfield hat das Alter besiegt, den höchsten Respekt sämtlicher Kritiker und die enthusiastischen Sympathien von 12500 Zuschauern gewonnen. Wenn 46 Jahre sich zwölf Runden lang von 2,13 Metern und 141 Kilo nicht unterkriegen lassen, dann ist das wahrhaft aller Ehren wert

Zürich. Evander Holyfield hat das Alter besiegt, den höchsten Respekt sämtlicher Kritiker und die enthusiastischen Sympathien von 12500 Zuschauern gewonnen. Wenn 46 Jahre sich zwölf Runden lang von 2,13 Metern und 141 Kilo nicht unterkriegen lassen, dann ist das wahrhaft aller Ehren wert. Zum Sieg über den 43,8 Kilo schwereren und 25 Zentimeter größeren russischen Riesen Nikolai Walujew (35) aber fehlte dem amerikanischen Methusalem mit der Figur eines jungen Apoll das Wohlwollen der drei Punktrichter aus Panama, Schweden und Italien, um zum fünften Mal Weltmeister im Schwergewicht nach Version der World Boxing Association (WBA) zu werden. Eine "split decision", eine 2:1-Entscheidung, verkündete Starsprecher Michael Buffer die Wertungen: 114:114 Punkte von Senor Perez, 115:114 von Mister Hook und lächerliche 116:112 von Signore Poppi. Hätte Mikael Hook nicht eine Runde entgegen der Gepflogenheiten mit 10:10 unentschieden auf seinen Zettel gekritzelt, anstatt 10:9 für den Herausforderer, es wäre die Mehrheitsentscheidung Unentschieden herausgekommen, alle wären zufrieden gewesen , und der Koloss aus St.Petersburg hätte Titel und Gürtel behalten. So aber brach ein Sturm der Entrüstung los. Bei einem derart ungleichen Duell schlägt sich das Publikum stets auf die Seite Davids. Goliath ist daran gewöhnt, selten Liebling der Massen zu sein. Mochte das Schweizer Publikum im ausverkauften Zürcher Hallenstadion auch eine knappe Stunde lang seinen Liebling stimmungsvoll "Holyfield, Holyfield" anfeuern und Walujew gnadenlos ausbuhen - das Missfallen über das Urteil war sachlich nicht ganz gerechtfertigt. Für Sympathien, Respekt, Alter, Körper und Tanzen gibt es keine Punkte. Und schon gar nicht für einen Ring-Marathon im Rückwärtslaufen. Nur Schläge und Treffer zählen. Holyfield umkreiste den schwerfällig und sich ziemlich ratlos wie ein Kreisel in der Ringmitte drehenden Walujew und wagte maximal drei überfallartige Angriffe pro Runde. Es sah jedes Mal spektakulär aus, wie seine Haken an diesen klobigen Schädel klatschten, ohne dass der Getroffene mit der Wimper zuckte. Die Konter, die sich Holyfield dabei einfing, sah man kaum. "Schlaf nicht ein", schimpfte Trainer Alexander Zimin. Walujew wirkte gehemmt, als hätte er tatsächlich Angst vor der Klasse, Ausgebufftheit und Routine seines Herausforderers. "Du arbeitest schön, du arbeitest gut", redete auf der anderen Seite Tommy Brooks begeistert auf seinen Schützling ein. Wie lange würde der "Oldtimer" dieses Tanztempo durchalten? Nach der Hälfte der Distanz wurden Holyfields Beine langsamer, und Walujews Aktionen druckvoller. Das Blatt wendete sich. Der Russe fing die Attacken ab. Als er in der achten Runde mit einer wuchtigen rechten Gerade den klarsten Treffer setzte und in der neunten sogar einen offenen Schlag erzwang, sahen es endlich wie ein Boxkampf aus und nicht wie ein Marathonlauf im Kreis. Holyfield und vor allem sein Trainer Brooks ("Wir haben gewonnen") fühlten sich krass benachteiligt. "Das kann nicht sein. Ich habe alles Notwendige getan. Der Sieg war in Reichweite", sagte er enttäuscht. Die Legende will sich zu Hause überlegen, ob er weitermacht. Vielleicht bleibt ihm keine andere Wahl - wegen des Geldes. Seine 32-Millionen-Dollar-Villa wird er nicht los. Elf Kinder und fünf Frauen muss er unterhalten. Da sind eine halbe Million Dollar, die er in Zürich verdiente, schnell weg. Tommy Brooks forderte denn auch sofort Revanche und fand bei Promoter Wilfried Sauerland ein positives Echo. "Der Kampf war sehr eng. Warum nicht?" "Das kann nicht sein."Boxer Evander Holyfield nach der Entscheidung der Punktrichter

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