Sportverbände unter der Lupe Der Boom geht an der Basis vorbei

Gronig · Der Darts-Sport ist in aller Munde. Doch davon zu profitieren ist nicht einfach. Der saarländische Verband entwickelt eigene Ideen.

 Gaga ballt die Faust! Bei seiner Darts-WM-Premiere in London sorgte der Saarländer Gabriel Clemens für Furore.

Gaga ballt die Faust! Bei seiner Darts-WM-Premiere in London sorgte der Saarländer Gabriel Clemens für Furore.

Foto: Heiko Lehmann

Der Darts-Sport ist nicht im Kommen – er ist schon lange da. Seit Jahren ziehen Live-Übertragungen der Turniere immer mehr Zuschauer in ihren Bann. Die Topstars der Szene wie Michael van Gerwen sind bekannter denn je – auch über den Rand der Dartsscheibe hinaus.

Dartsspieler im Saarland sind seit 1986 organisiert. Damals schlossen sich einige kleine Vereine in der Saarländischen Darts-Liga (SDL) zusammen, die Mitglied des Deutschen Darts-Verbands (DDV) wurde. 1991 wurde der aktuelle Dachverband, der Saarländische Darts-Verband (SADV), gegründet. In diese Zeit fiel auch das vermehrte Aufstellen elektronischer Darts-Automaten in Gaststätten – nicht selten durch Tabakhersteller. Die Konkurrenz des sogenannten E-Darts macht den klassischen Vereinen das Leben seit jeher schwer – vor allem in Südwestdeutschland. Während die Topstars ihre Pfeile in Felder aus Pflanzenfasern (Sisal-Borsten) jagen, werfen ihre Fans lieber auf das Kunststoff-Pendant der Automaten.

Trotz des verbreiteten Kneipen-Images genießt der Dartssport in Deutschland derzeit so viel Aufmerksamkeit wie nie zuvor. Der organisierte Vereinsbetrieb hat davon allerdings nichts. „Einen Boom gibt es höchstens bei den Zuschauern“, sagt Johann Peltzer. Er steht dem SADV seit 2005 vor, und er will den Sport raus aus den Kneipen und in die Sporthallen führen. Die offizielle Anerkennung als Sportart durch den Deutschen Olympischen Sportbund im Jahr 2010 bezeichnet er deshalb dankbar als „Ritterschlag“.

„Wenn ich alle Hobby- oder Keller-Darter für uns gewinnen könnte, dann hätten wir das Zehnfache an Mitgliedern“, mutmaßt der gebürtige Rheinländer, der seit 2005 im Saarland lebt. An Ideen für die Mitglieder-Akquise mangelt es ihm allerdings nicht. Zum Beispiel will er Darts-AGs in saarländischen Schulen etablieren. „Vielleicht können wir perspektivisch auch in die Jugendzentren kommen“, sagt Peltzer. Ein Konzept dafür hat er schon in der Schublade. Argumente auch: Durch das Dartsspielen lernen die Kinder nicht nur spielend rechnen, sondern sie werden – wie nach dem Betreiben anderer Sportarten auch – ruhiger und konzentrierter für den Unterricht oder die Hausaufgaben.

Mehr Aufmerksamkeit sollen die eigenen Turniere bringen. Dadurch, dass sie in Sporthallen ausgetragen werden statt in Kneipen. Hierfür hat der Verband in Eigenleistung eine mobile Anlage mit insgesamt 16 gleichzeitig bespielbaren Kabinen gebaut. Turnierformen wie „Minimax“, bei dem jeweils ein Erwachsener und ein Kind unter dem Motto „alkoholfrei Sport genießen“ gemeinsam an den Start gehen oder die Idee eines „Kneipen-Triathlons“ mit Billard und Tischfußball sind bereits in der Umsetzung. Ein eigener Bundesligist könnte die Wahrnehmung als „echte“ Sportart verstärken. Zuletzt scheiterte der Serien-Landesmeister und frühere Bundesligist SG SV Neunkirchen/DC Stones am Wiederaufstieg, der angesichts der hohen Reisekosten und des zusätzlichen Zeitaufwands nicht leicht zu stemmen wäre.

Der Versuch, durch eine Kooperation von der Strahlkraft des mächtigen englischen Profi-Verbandes PDC zu profitieren, scheiterte. „Das sind Profis, die Kohle machen wollen und demnach andere Interessen haben als wir“, sagt Peltzer und nennt die Veranstaltung „German Darts Open“ in der Saarbrücker Saarlandhalle als Beispiel. „Ich formuliere es mal bewusst provokant: Die Leute, die dahin kommen, sich verkleiden und viel Alkohol trinken, haben gar keine Ahnung von dem, was da auf der Bühne abgeht. Das macht es schwer, vom Kneipen-Image wegzukommen.“

Dabei ist das Saarland im klassischen Dartssport kein unbeschriebenes Blatt. Derzeit sorgt Gabriel Clemens, Spitzname „Gaga“, für Furore. Als erster Saarländer schaffte er es zur Weltmeisterschaft im Alexandra Palace in London. Vorher waren schon Jugendspieler des SADV überregional erfolgreich. Beispielsweise Sven Flück, der 2008 mit Kevin Münch aus Bochum im Endspiel der Berliner Doppel-Meisterschaft einen sogenannten „Neun-Darter“ schaffte, also einen perfekten Durchgang. Das Duo stand wochenlang an der Spitze der deutschen Doppel-Rangliste. Oder die heute 20-jährige Vanessa Nelz, die 2016 bei der Jugend-EM in Budapest Bronze im Doppel ins Saarland holte. 2017 erreichte Nicolas Horn als 16-Jähriger bei seiner ersten Teilnahme an einem World-Cup-Turnier in Japan auf Anhieb den fünften Platz.

„So eine Leistungsdichte kann kein anderer Landesverband vorweisen“, ist Johann Peltzer überzeugt. Das Problem: die große Fluktuation. Viele können ihr Talent nicht so fördern, wie sie es müssten, um dauerhaft solche Erfolge einzufahren. „Bei unseren Leuten handelt es sich oft um Arbeiter, oft Schichtarbeiter, denen schlichtweg die Zeit fehlt“, erklärt Peltzer und ergänzt: „Wenn wir Sportler hätten, die finanziell unterstützt werden, könnten wir noch mehr erreichen.“

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