Siemens kontert im Alstom-Poker

München · Siemens reagiert mit japanischer Unterstützung auf das Übernahmeangebot des Rivalen General Electric für den französischen Alstom-Konzern. Das Angebot fällt aber anders aus als erwartet.

Nach wochenlangem Tauziehen pickt sich Siemens-Chef Joe Kaeser im Alstom-Poker die Rosinen heraus: Mit dem japanischen Partner Mitsubishi Heavy Industries (MHI) legt der deutsche Elektrokonzern ein Milliarden-Angebot für Alstom vor, will für sich dabei aber nur das lukrative und gut zu überblickende Geschäft mit den Gasturbinen an Land ziehen. 3,9 Milliarden Euro in bar will Siemens dafür zahlen. Ansonsten meidet Kaeser lieber die Risiken eines großen Einstiegs bei Alstom. MHI will sich dagegen mit bis zu zehn Prozent an Alstom beteiligen und dafür 3,1 Milliarden Euro auf den Tisch legen. Insgesamt summieren sich die Vorschläge von MHI und Siemens auf eine Barzahlung von rund sieben Milliarden Euro .

Von der ursprünglich vor allem in Frankreich gepriesenen Idee zweier europäischer Champions bleibt nicht viel übrig. Eine Zusammenarbeit zwischen Siemens und Alstom im Bahntechnik-Geschäft ist auf unbestimmte Zeit verschoben. Trotzdem stellt Kaeser mit dieser Lösung viel taktisches Geschick und auch Gespür für die französischen Befindlichkeiten unter Beweis.

Eine deutsch-japanische Lösung hätte für die Regierung in Paris nämlich durchaus Charme. Sollte sie am Ende beim Verwaltungsrat Zustimmung finden, könnte Alstom als Aushängeschild des Industriestandorts Frankreich erhalten bleiben. Auch will Siemens im Falle eines Zuschlags eine dreijährige Jobgarantie für das Gasturbinengeschäft gewähren, zudem wollen die Münchner die Zentrale des Geschäfts in Frankreich ansiedeln. Zugleich wäre Siemens bei einem Zuschlag aus den eher problematischen Aspekten des Geschäfts fein raus: So muss sich Alstom nicht nur mit einer hohen Schuldenlast, sondern auch mit Korruptionsermittlungen in den USA herumschlagen, was bei Siemens unangenehme Erinnerungen an die eigene Schmiergeld-Krise wecken dürfte. Hinzu kommt: Alstom-Chef Patrick Kron gilt als erbitterter Gegner eines Deals mit den Münchnern. Würde Siemens tatsächlich nur die Gasturbinen übernehmen, ergäben sich kaum Berührungspunkte.

"Meine Präferenz ist der Erhalt von Alstom", hatte Frankreichs Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg in den vergangenen Tagen immer wieder betont. Genau das erreichen aus Sicht von Siemens und MHI ihre Pläne. Der Alstom-Konzern würde in seiner gegenwärtigen Form in fast allen seinen Geschäftsfeldern erhalten bleiben. Darüber hinaus würde Alstoms Position als breit aufgestellter weltweiter Anbieter im Energie- und Servicegeschäft gestärkt, seine finanzielle Struktur verbessert und das Unternehmen gleichzeitig als französischer, börsennotierter Großkonzern erhalten. Siemens-Chef Kaeser und MHI-Chef Shunichi Miyanaga sollen heute gemeinsam bei Frankreichs Staatspräsident François Hollande und Wirtschaftsminister Montebourg vorsprechen.

General Electric (GE) warb gestern mit ganzseitigen Anzeigen in Tageszeitungen für seine Pläne. Unter der Überschrift "Die Zukunft liegt im ,Made in France‘" wurde dort auf die Vorteile einer Zusammenarbeit zwischen GE und Alstom verwiesen. Allerdings: Von Plänen, die Offerte nachzubessern, war zunächst nichts zu hören. Man werde sich nicht an einem Bieterkrieg beteiligen, erklärte das Unternehmen. Neben 1000 neuen Industrie-Jobs für den von hoher Arbeitslosigkeit gebeutelten Standort Frankreich hatte GE eine Stärkung der Alstom-Transportsparte versprochen, die unter anderem die weltbekannten Hochgeschwindigkeitszüge vom Typ TGV baut. Das Wort "Übernahme" kam in der Zeitungsanzeige trotz des GE-Angebots von 12,35 Milliarden Euro für die Alstom-Energietechniksparte nicht vor. Stattdessen war von einer Allianz die Rede.

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