Wenn Eltern überfordert sind

St. Wendel. Zwei Kinder leben in einer Familie. Das eine stammt von der Mutter, das andere brachte der Vater mit in die neue Ehe. Die Mutter kommt nicht mit dem Stiefkind zurecht. Es mangelt an Zuneigung, an Versorgung. Dem Kind droht die Vernachlässigung

St. Wendel. Zwei Kinder leben in einer Familie. Das eine stammt von der Mutter, das andere brachte der Vater mit in die neue Ehe. Die Mutter kommt nicht mit dem Stiefkind zurecht. Es mangelt an Zuneigung, an Versorgung. Dem Kind droht die Vernachlässigung. Durch einen Hilferuf der Familie wird der Kinderschutzbund auf das sich anbahnende Drama aufmerksam, schreitet ein und rettet das Kind. Mittlerweile lebt es wieder bei seiner leiblichen Mutter. Kein erfundener Fall. Er hat sich laut Kinderschutzbund wirklich so zugetragen. Und nicht irgendwo, sondern bei uns, hier im St. Wendeler Land. Da es sich dabei nicht um einen Einzelfall handelt, dass Familien mit der Erziehung, mit ihren Kindern nicht klar kommen, überfordert sind, hat der saarländische Kinderschutzbund bereits vor zwei Jahren ein entsprechendes Hilfsprojekt auch im Landkreis St. Wendel gestartet: Ufer - Unterstützung für Eltern mit Babys, Klein- und Vorschulkindern. Vor Ort betreut Katja Liedigk (Foto: hgn) aus Marpingen die Arbeit. Die 44-Jährige ist Sozialpädagogin. Sie berichtet, dass es im vergangenen Jahr im Kreis 25 Hilfsanfragen an ihre Organisation und deren ehrenamtlichen Mitarbeiter (Paten) gab. Acht stammten demnach aus der Kreisstadt selbst, die übrigen aus den anderen Gemeinden. Zurzeit würden noch 17 Familien betreut. "Man kann also nicht sagen, dass es im ländlichen Raum weniger Fälle gibt. Die Nachfrage steigt auch hier." Seit dem Projektstart Anfang 2006 bis Ende 2009 zählte Ufer nach eigenen Angaben im gesamten Landkreis Unterstützung bei 116 Familien mit 272 Kindern. Gründe, warum Eltern nicht mit der Situation klar kommen, gebe es viele, berichtet Klaus Ollinger (Foto: hgn), der Ufer-Projektleiter ist. Unter anderem seien es Defizite bei der Entwicklung oder Schwierigkeiten im Umgang mit Behinderungen. Aber auch Sprachprobleme und Verhaltensauffälligkeiten spielten eine Rolle, berichtet der 66 Jahre alte Psychotherapeut. "Ein wachsendes Problem stellt aber die Arbeitslosigkeit dar." Daraus resultierende Armut erschwere beispielsweise eine gesunde Ernährung der Kinder. Gleichwohl gebe es Hilfsbedarf bei Familien aus so genannten "normal strukturierten Situationen". Das bedeutet: Was auf den Außenstehenden ausgesprochen harmonisch wirkt, muss nicht der Wirklichkeit entsprechen.Der Kinderschutzbund arbeite mit Behörden, Ärzten, Kliniken, Kindergärten, aber auch anderen karitativen Einrichtungen zusammen. "Es gibt Eltern, die uns nicht kennen oder sich nicht trauen, sich an uns zu wenden", sagt Ollinger. Deshalb sei der Kontakt über andere Stellen eben so wichtig. Die betroffenen Familien könnten sicher sein, dass mit ihnen ganz anonym, völlig vertrauensvoll umgegangen werde. Meinung

Diese Hilfe ist extrem wichtig

Von SZ-RedakteurMatthias Zimmermann Der tragische Fall in Roschberg, als eine Schülerin ihr Baby kurz nach der Geburt im Schnee des elterlichen Gartens abgelegt hatte und der Säugling dadurch starb, beweist: Familien brauchen Beratung. Nicht nur in der Stadt, auch auf dem Land, wo sich so viele rühmen, dass das soziale Geflecht noch funktioniert. Die Zahlen des Kinderschutzbundes belegen, dass es den Bedarf auch bei uns gibt. Darum ist die ehrenamtliche Hilfe äußerst nötig. Auf einen BlickUfer: Die Unterstützung für Eltern mit Babys, Klein- und Vorschulkindern ist eine Initiative des deutschen Kinderschutzbundes im Saarland. Das Projekt ist darauf ausgerichtet, mit ehrenamtlichen Helfern, so genannten Paten, zu unterstützen. Deren Aufgabe ist es, Familien zu helfen, die sich vorübergehend nicht ausreichend um ihre Kinder kümmern können und deshalb Unterstützung haben möchten. Die Paten, die über den Kinderschutzbund geschult werden, werden drei Monate oder nach Bedarf auch länger jeweils zwei Stunden pro Woche in Kontakt stehen mit der gesamten Familie. Die Betreuung findet laut Kinderschutzbund auch ausschließlich in den Wohnungen der zu beratenden Familien statt. Ehrenamtliche Paten werden noch im Landkreis St. Wendel gesucht. Projektleiter Klaus Ollinger erwartet von den Bewerbern unter anderem Lebenserfahrung, soziales Engagement und Verschwiegenheit. Denn über die Einzelfälle soll nichts nach außen dringen. Wichtig ist auch das Interesse an Kindern. Die Mitarbeiter erhalten neben einer Schulung auch regelmäßige Beratungen. Eine Aufwandsentschädigung sei ebenfalls vorgesehen. hgnInformationen: Katja Liedigk, Telefon (0 68 51) 9 30 18 89 oder (01 75) 7 15 31 40, E-Mail: kinderschutzbund@lebenshilfe-wnd.de.

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