Die Augen aufhalten

St. Wendel · Die gute Zusammenarbeit zwischen Landkreis und Polizei nennen die Verantwortlichen als Grund dafür, dass die Führungskräfte der Bundespolizeidirektion Koblenz zur jährlichen Strategietagung jetzt nach St. Wendel gekommen sind. Im Gespräch mit der SZ sprachen zwei der Experten über Sicherheit und die Angst vor Terroranschlägen.

Im St. Wendeler Rathaus haben Führungskräfte der Bundespolizei darüber beraten, was es zu verbessern gilt, damit sich die Menschen sicher fühlen. Jedes Jahr treffen sich die Verantwortlichen der Bundespolizeiinspektion Koblenz, die für das Saarland, Rheinland-Pfalz und Hessen zuständig ist, um über die Aufgaben der kommenden zwölf Monate zu sprechen. Zwei Begriffe, die dieses Mal desöfteren fielen, waren dabei: Terror und Flüchtlingswelle.

"Woran müssen wir arbeiten, um künftig noch besser für Herausforderungen gewappnet zu sein? Sind wir für den Ernstfall gut aufgestellt?" Das sind nach Aussage von Joachim Moritz, Präsident der Bundespolizeidirektion Koblenz, zwei der Fragen, mit denen sich die Polizisten während der zweitägigen Strategietagung beschäftigt haben. Es geht neben den Einsätzen für die Beamten auch um die Themen Personal oder Ressourcen.

1923 Polizeivollzugsbeamte gehören zur Bundespolizeidirektion Koblenz, circa 350 davon sind im Saarland eingesetzt. 260 am Standort in Bexbach, 60 bei mobilen Kontrolleinheiten, die übrigen im Bereich Kriminalitätsbekämpfung. 100 Beamte der Direktion Koblenz sind aktuell an der deutsch-österreichischen Grenze im Einsatz. "Die Kräfte fehlen uns hier", sagt Peter Fuchs , Leiter der Bundespolizeiinspektion Bexbach.

Die Attentate des Islamischen Staates am 13. November in Paris, bei denen 130 Menschen starben, haben auch Auswirkungen auf das Saarland. An der Grenze zu Frankreich wird seitdem kontrolliert. "Ich habe am 14. November die Entscheidung getroffen, dass die Schutzweste verbindlich getragen werden muss", sagt Fuchs. Sonst läge es im Ermessen des einzelnen Beamten, ob er die Weste anlegt oder nicht. Jetzt geht der Verantwortliche auf Nummer sicher. Wachsamkeit - das Gebot der Stunde.

"Es gibt eine hohe abstrakte Gefahr, aber keine konkreten Hinweise auf Anschläge", beschreibt Fuchs die Situation. "Wir dürfen uns nicht einschüchtern lassen, aber auch nicht naiv sein." Bei Gesprächen an den Kontrollposten zu Frankreichs Grenze werde deutlich, dass die Menschen auf der einen Seite ein höheres Bedürfnis nach Schutz haben, aber auf keinen Fall einen Überwachungsstaat wollen. Es herrsche Unsicherheit. "Unsere Aufgabe ist es, keine Ängste zu schüren, sondern ein realistisches Bild der Lage abzugeben", so Fuchs.

Fahndungen und Kontrollen nach den Anschlägen von Paris gehören für die Bundespolizei im Saarland jetzt zum Alltag. Außerdem beschäftigt sie die Massenflucht aus Syrien und anderen Ländern. Als dritten Schwerpunkt der polizeilichen Arbeit in der Region nennt Fuchs die Präsenz an wichtigen infrastrukturellen Einrichtungen wie Flughafen oder Bahnhof.

Abgestellte Pakete, verlassene Koffer - Peter Fuchs hat die Erfahrung gemacht, dass Reisende inzwischen sehr aufmerksam sind. Das ist gut so, sagt auch Joachim Moritz. Der Leiter der Bundespolizeidirektion in Koblenz ermutigt die Menschen, Auffälligkeiten zu melden. Die Beamten, die auf Streife unterwegs sind, wüssten, was zu tun ist. Zunächst, so beschreibt Moritz, werde die Tasche oder das Paket genau betrachtet: Hängen eventuell Drähte heraus? Kann der Besitzer im näheren Umfeld ausfindig gemacht werden? Als weitere Schritte werden ein Sprengstoffspürhund und schließlich eine Entschärfer-Gruppe hinzugerufen.

In dem Gespräch mit den Experten wird deutlich: Nicht nur die jüngsten Anschläge in Paris haben Auswirkungen auf die Polizei-Arbeit. "Seit dem Amoklauf an einer Realschule in Winnenden 2009 hat jeder Bundespolizeibeamte eine Anti-Amok-Schulung", so Moritz. Nach dem Anschlag im Januar auf die Satirezeitschrift Charlie Hebdo in Paris wurden sogenannte robuste Einheiten aufgestellt. Fünf soll es geben, die erste soll zum Jahreswechsel in Berlin aktiv werden. Da bei den Terror-Anschlägen immer wieder Kalaschnikows (Maschinengewehre) eingesetzt wurden, gibt es für die robusten Einheiten auch besondere Schutzkleidung und Sonderfahrzeuge.

Ebenso wie die Gesellschaft sich verändere, sei die Polizeiarbeit ein dynamischer Prozess, sagt Fuchs. Deshalb sei es wichtig, über Veränderungen zu sprechen. "Wir können nicht jede Gefahr ausschalten". Dennoch ermutigt Fuchs die Menschen nach wie vor überall hinzugehen - und aufmerksam zu sein. Tankstelle, Rastplatz, Dorf - alles, zu dem es eine Zugangsmöglichkeit gibt, könne Anschlagsziel werden. "Wir können nichts ausschließen", sagt Moritz. Aber er betont auch: "Jeder sollte sein Umfeld beobachten, ohne jedoch in Angst zu leben."

Die Polizei zeigt Präsenz, kontrolliert und ist wachsam. Um den alltäglichen und den Sonderaufgaben gerecht zu werden, wünscht sich Moritz mehr Personal. Wegen der angespannten Lage fehle die Zeit für Fortbildungen. 3000 neue Bundespolizisten sollen in den nächsten Jahren eingestellt werden. Auch eine Perspektive für Schüler, die kurz vor dem Abschluss stehen.

Denn neben Abiturienten haben im mittleren Dienst der Bundespolizei auch Realschüler eine Chance, wie Fuchs herausstellt.

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