Was ist das, was in uns mordet?

Neunkirchen. Mit Anthony Burgess' "A Clockwork Orange" (Uhrwerk Orange) hat sich der Neunkircher Theaterverein "die kulisse" an ein Stück gewagt, das seit jeher so kontrovers diskutiert wird, wie kaum ein anderes. Berühmt wurde das Werk vor allem durch Stanley Kubricks Verfilmung aus dem Jahr 1971

 Was für das Vergewaltigungsopfer (Sibille Sandmayer) tödliche Folgen hat, ist für Alex (Andreas Fischer) und seine Gang, hier Francesco Cottone, nur Freizeitbeschäftigung. Foto: Willi Hiegel

Was für das Vergewaltigungsopfer (Sibille Sandmayer) tödliche Folgen hat, ist für Alex (Andreas Fischer) und seine Gang, hier Francesco Cottone, nur Freizeitbeschäftigung. Foto: Willi Hiegel

Neunkirchen. Mit Anthony Burgess' "A Clockwork Orange" (Uhrwerk Orange) hat sich der Neunkircher Theaterverein "die kulisse" an ein Stück gewagt, das seit jeher so kontrovers diskutiert wird, wie kaum ein anderes. Berühmt wurde das Werk vor allem durch Stanley Kubricks Verfilmung aus dem Jahr 1971. Seitdem gilt Clockwork Orange als generationsübergreifender Kultfilm, dessen Bildästhetik und Sprachgebrauch seit 40 Jahren Einfluss auf die Popkultur nimmt. Und so wurde im Vorfeld der Premiere am Samstag die nicht ganz unberechtigte Frage gestellt, ob ein Amateurtheater diesen schwierigen Stoff überhaupt umsetzen könne? Knapp zwei Stunden später stand hinter dieser Frage ein "Ja" mit Ausrufezeichen. Schon beim Betreten des Bürgerhauses wurden die Zuschauer mit dem zentralen Aspekt von Clockwork Orange konfrontiert: Gewalt. Eingepfercht hinter Gittern, gelangweilt, stumm und provokant, begutachteten Protagonist Alex (Andreas Fischer) und seine Gang, die Droogs, jeden, der das Stück besuchte. Auf den Vorhang war Georg Büchners Frage projiziert: Was ist das, was in uns lügt, mordet, stiehlt? Die Frage blieb, wie so viele, die das Stück aufwirft, unbeantwortet. Das Licht ging aus und mit majestätischer Bewunderung trugen die Droogs ihren Anführer Alex zur Bühne. Auf seine Bühne, genau genommen, wo er Totschlag als "Bashing" zelebrierte und eine Vergewaltigung unter dem Jubel seiner Gang, die sich dem "Rein-Raus-Spiel" reihum anschloss, inszenierte. Das Licht im Saal ging dabei wieder an, so dass das Publikum noch unmittelbarer zum untätigen Beobachter wurde und urplötzlich mit dem Unfassbaren konfrontiert war. Der Vorhang fiel nach dieser eindringlichen Szene und am verhaltenen Applaus war zu erkennen, dass "die kulisse" schon jetzt alles richtig gemacht hatte. Denn erneut drängte sich eine Frage auf: Sind wir alle zu oft nur Zuschauer, die auch das Grausame irgendwie aushalten und dadurch sogar zu unfreiwilligen Claqueuren des Bösen werden? Auch im weiteren Verlauf, in dem Alex durch die staatlich verordnete Ludovico-Methode zum vermeintlichen Vorzeigeobjekt einer gelungenen Resozialisierung wurde, war Gewalt allgegenwärtig. Ohne zu erklären, wo der Anfang dieser Spirale war. Als "aufrechter, junger Mann" wurde Alex entlassen. Als Wesen, dem alles genommen wurde. Sein Wille, seine Gefühle, sogar die Liebe, das dafür aber wie ein Uhrwerk funktionierte. "Ist ein Mensch, der sich für das Böse entschieden hat besser als ein Mensch, dem das Gute aufgezwungen wurde", hieß es an einer Stelle. Und auch hier musste jeder für sich die passende Antwort finden. Mit einem bis in die Nebenrollen stark besetzten Ensemble, einem passenden Bühnenbild und unterkühlten Soundcollagen ist es der "kulisse" gelungen, einen lauten Schuss in die Nacht zu feuern. Es bleibt zu hoffen, dass Clockwork Orange nach den beiden Aufführungen am Wochenende nochmal gezeigt wird, damit sich noch mehr Zuschauer darauf einlassen können.

Auf einen BlickDas Ensemble von Clockwork Orange - Eine Horrorshow: Andreas Fischer, Thomas Däbritz, Rouven Bitz, Sascha C. Ferdinand, Francesco Cottone, Marc Lüders, Ida Jacobi, Isaak Jacobi, Markus Müller, Elena Schneider, Dietmar Feiock, Sibille Sandmayer, Conny Baus, Melitta Bach, Inez Schmitz, Sylvia Müller. Regie und Produktion: Markus Müller. Regieassistenz: Sibille Sandmeyer. Bühnenbau: Markus Kumpf, Klaus Müller, Martin Schmitz, Marcel Schmitz. Musik und Sound: Rouven Bitz, Francesco Cottone. Kostüme: Ruth Müller, Ulla Bitz. Requisite: Ursula Becker. Maske: Karola Klinkert, Astrid Thiel, Katja Molter-Basler, Anette Higy. Ton und Licht: Markus Kumpf, Marcel Schmitz. Video-Projektion: Martin Schmitz. pra

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