Vom Pistenrenner zur Blumenbank

Sobald Väterchen Frost seine Vorboten schickt, wird der Schlitten von Willi Naumann sorgsam verpackt und eingemottet. Die Tage, in denen das gute Stück seiner Bestimmung auf den Pisten zwischen Wacken- und Schäferberg nachkam und von den Kindern bergauf gezogen wurde, um talwärts für eine rauschende Abfahrt zu sorgen, sind längst gezählt

 Der Mercedes unter den selbstgebauten Schlitten war Willi Naumanns Modell: Dank Metallkufen war er schneller als alle anderen.

Der Mercedes unter den selbstgebauten Schlitten war Willi Naumanns Modell: Dank Metallkufen war er schneller als alle anderen.

Sobald Väterchen Frost seine Vorboten schickt, wird der Schlitten von Willi Naumann sorgsam verpackt und eingemottet.Die Tage, in denen das gute Stück seiner Bestimmung auf den Pisten zwischen Wacken- und Schäferberg nachkam und von den Kindern bergauf gezogen wurde, um talwärts für eine rauschende Abfahrt zu sorgen, sind längst gezählt. Mittlerweile genießt der knapp 100 Jahre alte Schlitten seinen Ruhestand und dient in den Sommermonaten als dekorative Blumenbank.

Während seiner Lehrzeit als Klempner und Installateur schenkte der Meister von Willi Naumann ihm das schnittige Kufengefährt, das sich im Winter als echte Rennmaschine entpuppte. "Vor allem auf den vereisten Pisten haben sich die schmalen Kufen ausgezahlt. Er war in der Nachkriegszeit eine Besonderheit und fiel unter den selbst gebauten Schlitten natürlich auf. Zudem war ich damit schneller als die anderen", erinnert sich der 80-Jährige.

Wenn Schnee lag, erzählt Willi Naumann, wurden die Schlitten zusammengebunden und man konnte von Hierscheid bis nach Eppelborn fahren, wo der rutschende Konvoi unter Funkenflug auf der gestreuten Asche zum Stehen kam.

Er schätzt, dass sein Schlitten zu Beginn des 20. Jahrhunderts gebaut wurde, da alle Eisenteile zusammengenietet und nicht miteinander verschweißt sind. "Der Schlitten befindet sich noch immer in seinem Originalzustand", sagt der Besitzer. Im Frühling wird er ihn wieder aufpolieren und auf Vordermann bringen, damit er auf dem Balkon von Familie Naumann samt Blumenpracht als Hingucker bewundert werden kann.

Der Schlitten von Gerhard Groß aus Hüttigweiler muss ebenfalls nur noch dann in Schnee und Kälte, wenn er aufgrund seines Alters als Motiv für ein Foto dient. Denn das edel anmutende Stück hat bereits mehr als 100 Jahre auf den Kufen und darf sich fortan als Inhaber des Kreisrekordes betrachten.

In seiner Kindheit ist Gerhard Groß damit in der Domp die Rodelbahn hinabgefahren und hatte auf der großzügigen Bank samt Soziussitz ausreichend Platz für ein bis zwei Mitfahrer. Und schon dem Vater des 83-Jährigen diente der Schlitten im Winter als Gefährt. Ehefrau Elisabeth (86) erinnert sich noch daran, dass solche Schlitten damals auch oft als Transportmittel genutzt wurden.

Aber was um die Jahrhundertwende noch flott, modern und zweckmäßig war, kam in den 60er Jahren nicht mehr zum Einsatz, weiß der gleichnamige Sohn Gerhard. Der 56-Jährige hätte damit wohl eher Lacher statt Bewunderung auf der Piste geerntet. "In meiner Kindheit waren die flachen Holzschlitten angesagt. Dieser gehörte bereits zu den Antiquitäten", erzählt er.

 Geschwungene Kufen und Sitzfläche machen den Schlitten von Gerhard Groß zu einer vielbewunderten Antiquität. Fotos: Marc Prams

Geschwungene Kufen und Sitzfläche machen den Schlitten von Gerhard Groß zu einer vielbewunderten Antiquität. Fotos: Marc Prams

Und so wurde er aussortiert und fand seine neue Bestimmung als Blickfang im Schaufenster der eigenen Schuhmacherei, wo er bis zur Schließung vor zehn Jahren seinen Platz hatte. Auf dem Sperrmüll wird er nie landen. "Der Schlitten bleibt im Familienbesitz", betont Gerhard Groß.

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