Höhenrettung „Es kommt auf jede Sekunde an“

Eisen · Die Bergung von Monteuren an einem Windrad ist ein Job für Spezialisten. Im Windpark wurde der Ernstfall geprobt.

 Höhenretter Peter Marmitt (rechts) bringt die leichtverletzte Besucherin Corina Wagner im Hängesitz nach unten.

Höhenretter Peter Marmitt (rechts) bringt die leichtverletzte Besucherin Corina Wagner im Hängesitz nach unten.

Foto: Frank Faber

Angenommene dramatische Begleiterscheinung der Energiewende: Bei Servicearbeiten in der Gondel eines abgeschalteten Windrads in Eisen hat der Monteur einen Herzinfarkt erlitten, eine Rettung mit dem Aufzug oder der Abstieg über das Leitersystem ist nicht möglich. Das Leben des bewusstlosen Monteurs hängt praktisch an einem Seil. Auf dem Saarbrücker Winterberg war zuvor ein Notruf aufgelaufen, die Spezialisten der Gruppe „Spezielle Rettung aus Höhen und Tiefen“ der Feuerwehren des Landkreises Merzig-Wadern im Rendezvous-System sind zum Einsatzort ausgerückt. „Es ist problematisch, der Monteur muss waagerecht mit der Trage aus der Gondel abgeseilt werden, dabei muss sein Kreislauf entlastet werden“, sagt Einsatzleiter Eugen Zimmer nach einem Gespräch mit dem Notarzt.

Derweil ist der ausgebildete Höhenretter Sascha Müller mit dem Aufzug zum verunglückten Monteur in den Maschinenraum der Gondel unterwegs. 150 Meter muss Müller im Innern des Windrades hinauf, voraussichtliche Fahrzeit etwa 15 Minuten. „Es kommt auf jede Sekunde an“, weiß Einsatzleiter Zimmer. Es sei windstill, die äußeren Bedingungen für die Rettungsaktion passten. Dennoch sieht Zimmer für die sogenannte „passive Rettung“ eine Schwierigkeit. In den mit Technik vollgestopften Maschinenhäusern sei nur wenig Platz für Mensch und Werkzeuge. „Und die Notausstiegsluke an der Gondel ist sehr schmal, da muss die Trage zuerst senkrecht durch und dann sofort wieder in die waagerechte Lage zurückgestellt werden“, erklärt Zimmer.

Die Uhr läuft unerbittlich, die Spannung unter den Feuerwehrleuten steigt, ehe Müller den Verunglückten fixieren kann und nach 13 Minuten die Luke öffnet. „Bis zu einer Nabenhöhe von 200 Metern können wir Personen retten“, sagt der gebannt nach oben blickende Einsatzleiter. Müller hängt seitlich an der Trage, die er kurz darauf in wahnsinniger Höhe in die waagerechte Lage hievt. „Unter der Luke habe ich das problemlos mit dem Flaschenzug hingekriegt“, berichtet Müller, als er wieder festen Boden unter den Füßen hat. 14 Minuten dauert das Abseilen, bis Monteur Kai Staudt dem Notarzt übergeben werden kann.

Alles nur eine Übung, aber was für eine. „Wir sind sehr froh, dass wir an solchen Objekten ein patientengerechtes Retten trainieren können“, sagt Zimmer noch kurz. Denn das zweite Szenario steht an. Corina Wagner ist bei der Besichtigung des Windrads gestürzt und muss aus dem Maschinenraum nach unten gebracht werden. Höhenretter Peter Marmitt hat sich schon zu ihr auf den Weg begeben. „Bei einer leichtverletzten Person führen wir eine aktive Rettung durch“, sagt Zimmer. „Dummy“ Wagner wird mit dem Radeberger Haken am Einbindeknoten von Höhenretter Marmitt angebracht und im Hängesitz abgeseilt. „Es ist irre hoch, alles ist ganz klein“, meldet die gut gelaunte Patientin Wagner per Funk an den Boden. Wie zwei kuschelig aneinander geschnürte Marionetten stellt sich für die Schaulustigen im Windpark aus 150 Metern Entfernung die Übung dar. „Der Vorteil des Hängesitzes besteht darin, dass der Helfer den Patienten ständig im Blickfeld hat und bei eventuell auftretenden Komplikationen sofort reagieren kann“, erklärt Zimmer.

 Höhenretter Sascha Müller musste die Trage in die waagerechte Lage zurückstellen.

Höhenretter Sascha Müller musste die Trage in die waagerechte Lage zurückstellen.

Foto: Frank Faber

Eine Viertelstunde später kommt Höhenretter Marmitt mit der Patientin wohlbehalten unten an. „Das war ein tolles Erlebnis“, sagt das freiwillige „Opfer“ Wagner. Oben habe auf einem ganz schmalen Absatz am Rande der Notausstiegsluke gestanden und ihr Retter habe dann zu ihr gesagt: „So und jetzt sind die Füße dran und dann musst du dich einfach hängen“. Einsatzleiter Zimmer resümiert. „Ich bin zufrieden mit den Herausforderungen, die wir gemeistert haben. Die Übung hat gezeigt, dass regelmäßiges Proben des Ernstfalles unheimlich wichtig ist“. Pro Jahr müssen die Höhenretter 72 Stunden Ausbildung betreiben.

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