Für Postkarten-Idylle ist kein Platz

St. Wendel. "Er will nicht mehr angeschrieben werden", beklagt sich Doris Scheidecker und hält einen Brief hoch. Damit erklärt sie die Resonanz von afrikanischen Regierungsmitgliedern und Beamten auf Beschwerdebriefe der St. Wendeler Amnesty-International-Gruppe 1148

 Diese feiernden Menschen in Swasiland leben nicht immer ausgelassen. Das sagt Amnesty International. Foto: dpa

Diese feiernden Menschen in Swasiland leben nicht immer ausgelassen. Das sagt Amnesty International. Foto: dpa

St. Wendel. "Er will nicht mehr angeschrieben werden", beklagt sich Doris Scheidecker und hält einen Brief hoch. Damit erklärt sie die Resonanz von afrikanischen Regierungsmitgliedern und Beamten auf Beschwerdebriefe der St. Wendeler Amnesty-International-Gruppe 1148. "Wir weisen die Regierung auf Menschenrechtsverletzungen hin und müssen dennoch höflich bleiben", erzählt Scheidecker. Das sei für sie sehr schwierig. Auf ihre letzten Briefe erhielt die Gruppe keinerlei Resonanz. Das sei ein übliches Verhalten. Dennoch wollen alle Gruppenmitglieder mit den Aktionen weitermachen. Es ist bereits das fünfte Treffen der im April gegründeten Regionalgruppe. (Wir berichteten) "Mittlerweile sind wir zehn Mitglieder und jeder von uns hat bereits einige Beschwerde-Briefe geschrieben", sagt Gruppenmitglied Detlev Gohrbandt. Aktuell sei das Hauptthema der Gruppe Swasiland. "Sehen Sie hier", fragt Kurt Jost und zeigt eine Landkarte von Afrika. Der Punkt, auf dem sein Finger ruht, ist gerade einmal stecknadelkopfgroß. "Swasiland ist ein kleiner Binnenstaat im südlichen Afrika", erklärt Jost. Rund eine Million Einwohner leben dort. Die St. Wendeler Amnesty-Gruppe setze sich gemeinsam für den swasiländischen Studenten und politischen Aktivisten W. (Name der Redaktion bekannt) ein. "Nachdem W an einer Protestveranstaltung teilgenommen hatte, wurde er verhaftet", erzählt Gohrbandt. Er wurde verhört, währenddessen gefoltert und anschließend ausgesetzt. "W ist Jurastudent, er kennt sich aus, so was gefällt denen nicht", so Scheidecker. Swasiland habe als absolute Monarchie Parteien und das Parlament abgeschafft. Viele politische Aktivisten, die Mitspracherechte fordern, werden daher verfolgt. "Wenn wir Regierungsmitglieder zu konkreten Fällen anschreiben, verunsichern wir sie", so Scheidecker. Das sei es, was die Gruppe mit diesen sogenannten urgent actions bezwecken wolle. "So wissen sie, dass wir über ihre Sauereien Bescheid wissen", erklärt die 61-jährige Mitbegründerin der Regionalgruppe. Weltweit werden so rund 30 Prozent der betroffenen Gefangenen freigelassen. Solche Erfolge seien für die Amnesty-Gruppenmitglieder Grund genug, um sich in ihre Arbeit einzubringen. "Neben Einzelfallarbeit und urgent actions planen wir auch, die Öffentlichkeit hier zu informieren", so Carmen Birkenbach-Lewis. Die 1148-Mitglieder haben sich bereits überlegt, Infostände an Märkten zu errichten oder in Schulen zu gehen. Lehrerin Marga Rauber von der Erweiterten Realschule Schaumberg Theley verfolgt die Gespräche interessiert. "In der Schule hatte ich mit meinen Schülern die Entwicklungsländer durchgenommen und ich wollte einfach anschauliche Informationen über Menschenrechte", erklärt sie ihre Teilnahme bei der Amnesty-Gruppenstunde. Eine Zusammenarbeit mit den Schulen sei den 1148-Mitgliedern wichtig. "Amnesty bietet auch eine kostenlose Wanderausstellung an", lobt Scheidecker. Es handele sich um 32 Bildtafeln mit Texten und Karten. Doris Scheidecker blickt zu Marga Rauber und lächelt. "Wäre das nicht eine Idee, mit den Schülern so etwas im Unterricht zu besprechen", fragt sie. Auch Mitbegründerin Eva Scholl entgegnet: "Ja, wir könnten auch zum Beispiel am Weihnachtsmarkt einen Infostand machen." Alle Gruppenmitglieder nicken zustimmend. "Das ist schließlich das, was wir wollen - die Menschen für die Probleme anderer Menschen sensibilisieren", erklärt Scheidecker. Amnesty-Gruppenmitglied Klaus Henter fügt hinzu: "Möglichst viele aufwecken und immer wieder hinweisen." Wer Mitglied der St.Wendeler Amnesty-Gruppe werden möchte oder sich für eine schulische Zusammenarbeit interessiert, meldet sich bei: Gruppensprecherin Eva Scholl, Telefon (0 68 51) 90 74 93, E-Mail: evascholl@live.de oder Christoph Schirra von der Ehrenamtsbörse, Telefon (0 68 51) 80 15 23.

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