Die klassische Nachtschicht

Dillingen. Null Uhr, erst gut eine Stunde der Nachtschicht ist vorbei. Seine drei Kinder, 18, 16 und zwölf Jahre alt, schlafen jetzt, sagt Thomas Moll, 49. "Hoffe ich jedenfalls." Wenn es einen Arbeitsplatz um Mitternacht gibt, der nach dem aussieht, was man sich unter Nachtschicht vorstellt, dann ist es hier, wo Thomas Moll arbeitet, auf der Dillinger Hütte

Dillingen. Null Uhr, erst gut eine Stunde der Nachtschicht ist vorbei. Seine drei Kinder, 18, 16 und zwölf Jahre alt, schlafen jetzt, sagt Thomas Moll, 49. "Hoffe ich jedenfalls." Wenn es einen Arbeitsplatz um Mitternacht gibt, der nach dem aussieht, was man sich unter Nachtschicht vorstellt, dann ist es hier, wo Thomas Moll arbeitet, auf der Dillinger Hütte. Die gelbe Hüttenlok ist aus der tief dunklen Nacht in die Halle eingefahren. Die Lok wird gleich die Waggons mit Blechen herausziehen, die in der 350 Meter langen Halle bearbeitet worden sind. Bis zu 38 Tonnen kann ein solches Stahlblech für Hochhäuser, Windenergie-Plattformen, Schiffe oder Brücken wiegen. Auf den Waggons, die einen Laufzettel "H" tragen, liegen sie flach. Sie werden später im Hafen verladen für den Export. Auf Waggons mit "Bf" sind die breiten Bleche schräg verladen. Sie gehen über das Schienennetz zum Kunden.

Moll, der Kolonnenführer der Nachtschicht im Betrieb "Strahl- und Konservierungsanlage" ist, sorgt dafür, dass die Lok rechtzeitig da ist. Er kontrolliert jetzt, ob die Sicherungsbolzen an den Waggons auch richtig eingerastet sind.

Gelernt hat Thomas Moll Stukkateur und Bürokaufmann. "Seit genau 20 Jahren bin ich jetzt auf der Hütte. Es war meine beste Entscheidung", sagt er vor einem mächtigen blauen Turbinengehäuse, das satt vor sich hin brummt. "Auch wenn ich die Nachtschicht Jahr um Jahr mehr spüre. Aber wir haben jetzt ein Vierschicht-System. Das bedeutet nur zwei Tage Nachtschicht hintereinander. Damit lässt sich gut leben."

In der Halle werden Grobbleche von "Oberflächen-Zunder" befreit, der bei der Produktion entstanden ist. Danach bekommen sie eine hauchdünne Farbschicht, die sie vor Korrosion schützt.

Acht Turbinen strahlen kleine Stahlkugeln auf die Bleche. Moll schaut hier unter eine Klappe und dort auf Messgeräte. Er behält im Auge, dass der Kreislauf, in dem sich die Stahlkügelchen bewegen, in Gang bleibt. Weiter unten am Rollgang, der die bis zu 32 Meter langen Grobbleche transportiert, die zweite Station. Blitzeblank kommen die Blechoberflächen an und erhalten die Farbschicht. Wieder ein Blick auf Instrumente und auf eine Tabelle. Ob die richtige Farbe drin ist. Ob die Düsen der 16 Spritzpistolen frei sind. Ob der Laser, der die Blechdicke misst, richtig arbeitet. Ob genügend Koksgas zur Verbrennung der Beschichtungsrückstände ansteht. Falls nicht, schaltet sich die Anlage, deren Energie die Bleche leicht erwärmt, ab. Dann muss der Kolonnenführer entscheiden, was zu tun ist.

"Die Nachtschicht geht schnell rum, wenn richtig was zu tun ist", sagt Thomas Moll. Morgen früh, 6.45 Uhr, fährt er nach Hause, nach Wallerfangen-Ihn, vorbei an den langen Schlangen von Autos, deren Fahrer ihren Arbeitstag gerade beginnen.

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