Wiedersehen nach 35 Jahren

Dillingen. Noch nicht einmal drei Jahre alt, hat sie Auschwitz überlebt, war im "Hygieneblock", wo der so genannte "Todesengel" Josef Mengele Kinder mit Viren infizierte, um Medikamente auszuprobieren. Ihre Mutter war längst ins KZ Ravensbrück deportiert, als im Januar 1945 die rote Armee Auschwitz befreite

 Die Zeitzeugen haben am Albert-Schweitzer-Gymnasium aus ihrem Leben berichtet. Foto: Gerhard Alt

Die Zeitzeugen haben am Albert-Schweitzer-Gymnasium aus ihrem Leben berichtet. Foto: Gerhard Alt

Dillingen. Noch nicht einmal drei Jahre alt, hat sie Auschwitz überlebt, war im "Hygieneblock", wo der so genannte "Todesengel" Josef Mengele Kinder mit Viren infizierte, um Medikamente auszuprobieren. Ihre Mutter war längst ins KZ Ravensbrück deportiert, als im Januar 1945 die rote Armee Auschwitz befreite. Mutter und Tochter haben sich erst 35 Jahre später wieder gefunden. Sie erkannten sich an der in den Arm tätowierten Nummer. Zinayida Hrynevych war mit 69 Jahren die Jüngste von acht Gästen aus der Ukraine, die jetzt zwei Wochen im Saarland zu Besuch waren und in Schulen ihre von Leid geprägten Lebensgeschichten erzählten: an der Gesamtschule in Differten, der Nikolaus-Groß-Schule Lebach, dem Stefansberg-Gymnasium Merzig, den Erweiterten Realschulen in Großrosseln und Püttlingen sowie am Albert-Schweitzer-Gymnasium in Dillingen. Iryna Shul, mit 93 die Älteste der Gruppe, wurde als Mitglied der ukrainischen Unabhängigkeitsbewegung von der Gestapo verhaftet, kam ins KZ Ravensbrück, musste Schwerstarbeit leisten. Nach dem Krieg geschah ihr ein zweites Mal Unrecht. Denn wer aus Deutschland lebend heimkam, wurde in der Sowjetunion verdächtigt, Kollaborateur der Nazis gewesen zu sein.Diese Erfahrung machten auch andere der Gäste. Onufriy Dudok (85), wurde, als er 1948 in die Ukraine zurückkam, einer scharfen "Filterung" unterzogen. Während des Krieges überlebte er harte Zwangsarbeit, Hunger, willkürliche Schläge und Demütigungen in den KZ Mauthausen, Flossenburg und Auschwitz. Er erzählte den Schülern von dem Mädchenorchester, das in Auschwitz spielte, wenn die arbeitsfähigen Menschen in Waggons zur Arbeit abtransportiert wurden.

Die Katholische Erwachsenenbildung (KEB) im Kreis Saarlouis organisiert seit gut 20 Jahren in Zusammenarbeit mit dem Maximilian-Kolbe-Werk (Freiburg) derartige Aufenthalte von Zeitzeugen. Jetzt trafen die sechs Frauen und zwei Männer in den Schulen durchweg auf sehr interessierte junge Leute. Ihrerseits wollten sie wissen, was das für Menschen sind, die heute in dem Land leben, aus dem ihre Peiniger kamen. Zum Aufenthalt gehörten wie immer ein Besichtigungsprogramm und eine "Begegnung unter Freunden" im Oswald-von-Nell-Breuning-Haus der KEB in Dillingen. Dort waren die Gäste froh, auch mit Menschen aus ihrer Generation sprechen zu können. Diesen Menschen aus der Ukraine ist gemeinsam, dass Deutsche ihnen schweres Leid zufügten, sie in Todesangst versetzten. Und doch ist jede Lebensgeschichte individuell.

 Die Zeitzeugen haben am Albert-Schweitzer-Gymnasium aus ihrem Leben berichtet. Foto: Gerhard Alt

Die Zeitzeugen haben am Albert-Schweitzer-Gymnasium aus ihrem Leben berichtet. Foto: Gerhard Alt

Mykhailo Prokopenko (86) versagt die Stimme, als er erzählt, wie uneigennützig ihm ein älteres Ehepaar in Deutschland auf der Flucht half. Tamara Polovinkina (75) deutet an, was es für sie bedeutete, dass täglich die Leichen der über Nacht im Lager Gestorbenen im Bad gestapelt wurden. "Die Gestapo-Leute - das waren keine Menschen", sagt sie. Vanda Dubno überlebte ein Lager in Weißrussland.

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