Saarlouis Ärger über Borkenkäfer und Biker

Kreis Saarlouis · Die Holzernte im Kreis Saarlouis sorgt bei vielen Bürgern für Unverständnis. Saarforst-Arbeiter werden oft beschimpft.

 Forstwirt Jens Trouvain legt mit seiner Motorsäge den Fallkerb an.

Forstwirt Jens Trouvain legt mit seiner Motorsäge den Fallkerb an.

Foto: Thomas Seeber

Ein letzter prüfender Blick auf die Fichte, dann schnappt sich Jens Trouvain seine Motorsäge und es geht los. Zuerst legt er den Fallkerb an, das bedeutet: Er hält die Säge in die Fällrichtung und schneidet am Stammfuß waagerecht ein Stück heraus. Dann folgt auf der anderen Seite der Fichte der Fällschnitt. Sägespäne wirbeln umher. Jeder Handgriff sitzt. Alles geht ganz schnell und dauert nicht mal eine Minute. Es folgt ein „Achtung!“-Warnruf, darauf ein lautes knatterndes Geräusch. Der Baum stürzt – zunächst wie in Zeitlupentempo, dann sehr schnell – und prallt wuchtig am Boden auf.

Anschließend sägt Trouvain die Äste ab, seine Kollegen Josef Pignon und Karsten Krehling unterstützen ihn dabei. „Entasten“ heißt das im Fachjargon. Wieder wirbeln Sägespäne durch die Luft. Und es riecht nach Harz. Die drei arbeiten für den Saarforst als Forstwirte, früher Waldfacharbeiter genannt. Jetzt, im Herbst, sind sie mit der Holzernte beschäftigt. Bis zum Frühjahr heißt es nun: Bäume fällen und entasten. Später, nachdem der Saarforst das Holz verkauft hat, werden aus den Bäumen Dachlatten und Balken.

Die Fichte, die das Trio fällt, stand 50 Jahre. Sie gehört zum Wald bei Elm. Trouvain notiert die Länge (19 Meter) und den Durchmesser (27 Zentimeter). Aufgeschrieben wird auch die Güteklasse. In diesem Fall „C“. Denn der Baum ist astig und krumm, sprich: nicht optimal für den Verkauf. Doch es gibt noch ein weiteres Problem bei der Holzernte: Der Borkenkäfer greift die Fichten an. Er frisst sich durch die Bäume und schädigt sie. Rinde und Blätter fallen ab, die Bäume sterben. Das Holz ist später nicht so viel wert wie frisches. Martin Wollenweber rechnet mit 30 Prozent weniger Einnahmen.

Wollenweber ist Förster, genauer: Diplom-Forstingenieur. Der 54-Jährige ist seit 1987 beim Saarforst und seit 2011 Revierleiter von Beckingen-Elm. Sein Forstrevier entspricht in etwa dem Kreis Saarlouis und ist rund 1500 Hektar groß. Es besteht aus acht Abschnitten. Der Wald bei Elm ist der zweitgrößte Block mit rund 360 Hektar.

Das Problem mit dem Borkenkäfer besteht seit drei Jahren ganz massiv. Nach Wollenwebers Ansicht werden die Bedingungen für den Käfer aufgrund wärmerer Sommer immer besser. Der Wald im Saarland leidet darunter, auch der Wald in Wollenwebers Revier, wo relativ viele Fichten stehen. Ihr Anteil beträgt 14 Prozent. Es gibt nur mehr Eichen (23 Prozent) und Buchen (27 Prozent). Der Ärger über den Borkenkäferbefall ist sehr groß – auch, weil die Fichte viel nachgefragt wird.

Die Holzernte ist eine harte Arbeit. Kreuz, Arme und Schulter werden stark beansprucht. Und es ist eine gefährliche Tätigkeit. Auch tödliche Unfälle kommen vor. In Wollenwebers Revier zuletzt im November 2015.

Trouvain, Pignon und Krehling müssen immer aufeinander aufpassen und gut ausgerüstet sein. Sie tragen Arbeitshandschuhe, Schutzhelme mit Gehörschutz und Funk, Schnittschutzhosen, Schuhe mit Schnittschutz und einen Werkzeuggürtel. Besonders wichtig: Sie arbeiten immer zu Dritt. So kann bei einem Unfall einer beim Verletzten bleiben und der Dritte einen Rettungswagen rufen.

Auch Wollenweber achtet auf sein Personal. Seit 2005 sitzt er im Personalrat. Bisher gibt es keine Nachwuchsprobleme. Doch das ändert sich langsam. „Wir werden sie bekommen“, ist er sich sicher. Von etwas mehr als 100 Waldarbeitern verabschiedet sich bis zum Jahr 2030 mehr als die Hälfte in den Ruhestand. Wollenweber geht derzeit von 60 aus. Drei Auszubildende pro Jahr wie im Moment würden als Ausgleich nicht reichen. Für den Förster eine unbefriedigende Situation.

Unbefriedigend sind auch die zunehmenden Beschwerden von Bürgern. Wollenweber und seine Mitarbeiter bekommen oft Beschimpfungen und Vorwürfe zu hören. Der häufigste Spruch lautet: „Machen die do schon wieder den Wald kaputt!“ Die Forstwirte versuchen immer, ihre Arbeit zu erklären. Doch ihre Erfahrung ist: Manch einer will das gar nicht hören, hat seine Meinung und die reicht ihm. Es gibt aber auch Spaziergänger, die nach einer Erklärung Verständnis zeigen.

Wollenweber kann den Vorwurf, der Wald werde kaputtgemacht, nicht nachvollziehen. Er sagt dann immer: „Es wächst mehr als wir einschlagen.“ Pro Jahr werden in seinem Revier 8000 Festmeter eingeschlagen und 12 000 wachsen nach. Festmeter ist das Raummaß für Rundholz. Ein Festmeter entspricht einem Kubikmeter fester Holzmasse.

Wollenweber hat festgestellt, dass mehr Bürger in ihrer Freizeit in den Wald gehen. Im Herbst sind vor allem Pilzsammler unterwegs. Gerade während der Holzernte bringen sie sich oft selbst in Gefahr, weil sie Absperrungen ignorieren. Für Ärger sorgen verstärkt auch Mountainbiker mit illegalen Strecken. Revierleiter Wollenweber fehlt dafür das Verständnis.

 Revierleiter Martin Wollenweber bei der Holzernte im Wald bei Elm. Im Hintergrund entasten seine Mitarbeiter gerade eine Fichte.

Revierleiter Martin Wollenweber bei der Holzernte im Wald bei Elm. Im Hintergrund entasten seine Mitarbeiter gerade eine Fichte.

Foto: Thomas Seeber

Kurios für ihn ist: Trotz steigendem Interesse an Waldausflügen geht das Wissen über Wald und Waldwirtschaft in der Bevölkerung immer mehr verloren. Viele, die sich beschweren, wissen zum Beispiel nicht, dass auch geerntet werden muss. Kurios findet der Revierleiter außerdem, dass zum Teil die gleichen Bürger, die sich beschweren, kurze Zeit später nach Brennholz fragen.

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