„Tischtennis ist Familie“ Sport ermöglicht einen besseren Zugang

Saarbrücken · Syrische Zwillingsschwestern Ninar und Samar Al-Khatib haben über Tischtennis Hoffnung und Anschluss gefunden.

 Ninar (li.) und Samar Al-Khatib sind seit 2015 in Deutschland. Sie flüchteten vor dem Krieg in Syrien. Die Zwillinge haben schnell Anschluss gefunden. Heute spielen sie beim Saarländischen Tischtennis-Bund eine wichtige Rolle.

Ninar (li.) und Samar Al-Khatib sind seit 2015 in Deutschland. Sie flüchteten vor dem Krieg in Syrien. Die Zwillinge haben schnell Anschluss gefunden. Heute spielen sie beim Saarländischen Tischtennis-Bund eine wichtige Rolle.

Foto: Andreas Schlichter

Die Anfänge des Programms „Integration durch Sport“ liegen im Jahr 1989. Es wurde unter dem damaligen Namen „Sport für alle – Sport mit Aussiedlern“ in vier Bundesländern ins Leben gerufen. Im Folgejahr kam es zur Ausweitung auf alle alten und 1991 auf alle neuen Bundesländer. Seit 2002 trägt das Programm seinen aktuellen Namen. Beim Start des Projekts vor 28 Jahren waren zwei syrische Zwillingsschwestern noch keine zwei Jahre alt. Heute stehen Ninar und Samar Al-Khatib geradezu als Paradebeispiel für Integration durch Sport.

Wie Millionen Landsleute ließen die Zwillinge im Zuge des syrischen Bürgerkriegs ihre Heimat und die Familie schweren Herzens zurück. Im November 2015 betraten Ninar und Samar Al-Khatib deutschen Boden – und fanden dank des Sports schnell Anschluss. In ihrem Fall durch Tischtennis. Beide zählten lange zum syrischen Nationalkader. Der Tischtennis-Schläger durfte im spärlichen Gepäck auf der langen Reise gen Westen nicht fehlen.

Inzwischen spielen Ninar und die fünf Minuten jüngere Samar Al-Khatib in den Planungen des Saarländischen Tischtennis-Bunds (STTB) beim Thema Integration eine wichtige Rolle. „Wir haben ein sehr starkes Interesse, beide gut auszubilden. Sie sind als Trainerinnen für uns sehr interessant“, sagt STTB-Präsident Werner Laub. Den Trainer-C-Schein machten sie im April des vergangenen Jahres. Danach wurden sie in mehrere Verbandsprojekte eingebunden. Schon bald soll die B-Lizenz folgen.

Der Ausgangspunkt dieser Entwicklung lag beim 1. FC Saarbrücken. „Kurz nach unserer Ankunft haben wir im Internet nach Vereinen gesucht. Wir sind auf Saarbrücken gestoßen und wurden zu einem Bundesliga-Spiel der Herren eingeladen“, erzählt Ninar Al-Khatib. Ihre Eigeninitiative brachte den Stein ins Rollen. Eine wichtige Rolle spielte dabei Ralf Wilhelm, aktuell als Trainer und vorher als Jugendwart beim FCS tätig. Er bildete den Ausgangspunkt einer Zusammenführung, die sich nicht nur sportlich, sondern gerade auch zwischenmenschlich zu einer Erfolgsgeschichte entwickeln sollte.

Wilhelm kontaktierte Sandra Bender, die damals für den TV Merchweiler spielte. „Er erzählte mir, er habe da zwei Syrerinnen, um die herum eine neue Mannschaft aufgebaut werden soll“, erläutert Bender: „Er hat immer weiter gebohrt, bis ich schließlich zugesagt habe, mir das Ganze mal anzuschauen.“ Es sollte sich lohnen, denn nach dem ersten Treffen mit Ninar und Samar im März 2016 war Bender für die Idee Feuer und Flamme: „Es hat sofort zu 140 Prozent gepasst. Ich kam in die Halle rein – und alles war klar. Es war eine einfache Entscheidung“, verrät die 34-Jährige. Ihre Merchweiler Mitspielerin Paula Klein sah das genauso. Die 18-Jährige komplettierte das neue FCS-Quartett, das dann vergangene Saison mit der makellosen Bilanz von zwölf Siegen Bezirksliga-Meister wurde und künftig in der Landesliga an die Platte gehen wird.

Für die beiden Syrerinnen war es keine leichte Entscheidung, ihre Heimat, die Eltern, den jüngeren Bruder und Freunde zurückzulassen – doch es war aus ihrer Sicht die richtige. „Es ist schwer, von der Familie getrennt zu sein. Oft gibt es dort keine Internetverbindung oder Elektrizität. Dann ist die Angst umso größer“, sagt Samar Al-Khatib, die es dennoch wie ihre Schwester hält. „Wir hoffen jeden Tag, dass der Krieg endlich endet. Aber zurück wollen wir nicht“, sagt die.

Beide wollen im Saarland Fuß fassen. Tischtennis ist ihre Chance, dass das schneller gelingt: „Der Sport hat uns einen besseren Zugang zur Gesellschaft ermöglicht. Er verbindet die Menschen. Die Sprache war da im ersten Moment nicht so wichtig“, betont Ninar Al-Khatib. „Tischtennis hat uns Anschluss und Hoffnung gegeben. Wir sind dankbar, dass wir dadurch eine solche Chance erhalten. Wir haben schon in Syrien als Trainerinnen gearbeitet und können dank unserer Erfahrung sicher einiges weitergeben. Wenn man helfen kann, tut das einem sehr gut“, sagt Samar. „Tischtennis ist Familie“, fügt sie an.

Nicht zuletzt deshalb, weil auch ihre Mutter Rabab zu den besten syrischen Spielerinnen zählte. „Sie war unsere Trainerin. Und sie ist unser Idol. Das, was wir von ihr gelernt haben, wollen wir nun hier an andere weitergeben“, sagt die jüngere der beiden Schwestern, denen der Sport die Möglichkeit gegeben hat, den schweren Neuanfang fernab der Heimat besser zu meistern.

Die größten Erfolge der Al-Khatib-Zwillingsschwestern waren Ninars zweiter Platz mit der syrischen Mannschaft bei der arabischen Meisterschaft 2010. Mit der Mannschaft von Aljalaa aus Aleppo erreichten die Schwestern aus Salamia 2011 den zweiten Platz in der ersten syrischen Liga.

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