Was extreme Trockenheit für Obstbauern in St. Ingbert bedeutet Äpfel muss man mehr raffen als pflücken

St Ingbert/Bliestel · Die lang anhaltende Trockenheit des Sommers hat massive Folgen für den Obstertrag in St. Ingbert. Es gibt aber auch erfreute Stimmen.

Die Stadtgärtnerei in St. Ingbert gießt massiv gegen die Trockenheit an. Bis zu 18 000 Liter Wasser werden täglich zu den Pflanzen im Stadtgebiet gefahren.

Die Stadtgärtnerei in St. Ingbert gießt massiv gegen die Trockenheit an. Bis zu 18 000 Liter Wasser werden täglich zu den Pflanzen im Stadtgebiet gefahren.

Foto: Peter Gaschott

Früher als in anderen Jahren setzte die sommerliche Trockenheit ein, und sie dauerte länger als sonst. So trocken und heiß wie im gegenwärtigen Sommer war es hierzulande noch nicht – das ist die einhellige Auffassung aller, die in der Landwirtschaft oder im Obst- und Gartenbau tätig sind. Massive Auswirkungen hat der lange, trockene und heiße Sommer.

Margit Frenzel-Klemsch berichtet, dass ihr Mann jede Woche 1000 Liter Wasser auf die Streuobstwiese fährt, die der Obst- und Gartenbauverein Oberwürzbach auf dem Farrenberg angelegt hat. „Es geht uns nur noch darum, die Bäume zu retten. Die Wiesen haben wir aufgegeben, die werden wieder wachsen, wenn nochmal Regen kommt. Aber die Bäume gehen ein, wenn sie nicht zusätzlich gewässert werden“, berichtet sie. Im Gegensatz zu starken, alten Bäumen mit tiefgehendem Wurzelwerk sind die relativ jungen Bäume auf der Vereins-Streuobstwiese noch auf Hilfe aus dem Wasserfass angewiesen. Dass die Natur zwei bis drei Wochen voran sei, das erzählt die Vereinsvorsitzende. Wobei sie bedauert, dass Obst, das der Verein gerne gepflückt hätte, heute schon am Boden liegt und vielfach verfault. „Wir haben eine kleine vereinseigene Hausmosterei, in Kürze wollen wir sie erstmals in Betrieb nehmen. Dazu müssen wir Obst raffen. Was immer wir finden, wir wollen sehen, dass wir so viel Saft produzieren, wie möglich.“ Optimistisch klingt sie nicht. Viele Früchte sind, bevor sie sich richtig entwickeln konnten, vertrocknet und abgefallen.

Frenzel-Klemsch spricht ein weiteres Problem an. Auf den Höhen rund um Oberwürzbach gibt es sehr viele alte Obstbäume, die voller Früchte hängen. Oft völlig vergessen von den Eigentümern. „Das wäre so schön, wenn wir, die wir die Früchte verarbeiten, diese Bäume abernten dürften. Aber fremdes Obst ernten, das dürfen wir nicht. Es wäre toll, wenn die Eigentümer uns die Ernte erlauben würden“, erzählt sie unserer Zeitung. Ein weiterer Aspekt bereitet ihr Sorgen. Viele der vergessenen Obstbäume sind von Misteln befallen. Werden diese Bäume auch künftig nicht gepflegt, werden sie von den Misteln massiv geschädigt. Und Misteln verbreiten sich rasant. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis auch die gesunden Bäume weiterer Obstbauer befallen würden.

Harry Lavall, der Geschäftsführer der Obst- und Gartenbauvereine im Saarpfalz-Kreis, bestätigt die Beobachtungen aus Oberwürzbach. Wobei Lavall die Sache differenziert angeht. „Ich bin Gärtner. Gärtner pflanzen und gießen. Einen Gärtner erkennt man am Gießen“, erzählt er uns. Die Sonne ist ja zunächst nichts Schlechtes für die Pflanzen, sie brauchen halt viel Wasser. In einer Zeit, in der die Zisternen leer sind, verzichten viele aufs Gießen. Dann ist ganz schnell Schluss mit Wachstum. Wer allerdings weiter richtig gießt, verzeichnet oft hohe Erträge. Das gelte insbesondere für Pflanzen, die üblicherweise in südlichen Regionen wachsen. Tomaten und Auberginen haben bei Lavall rekordverdächtige Dimensionen erreicht. Zum Gießen gibt er einen Tipp: Kleine Fläche nass machen, die Gießkannen-Tülle dazu weglassen. Und dann zweimal gießen, damit der Boden die Nässe besser aufnimmt. Für Bäume hat Lavall einen guten Rat: Die Wassersäcke, die auch Kommunen einsetzen, geben das Wasser langsam und kontinuierlich an die Bäume ab. Sie hätten sich bewährt. Ansonsten erzählt der Gartenspezialist, dass es vor allem die extreme Hitze gewesen sei, die an Obstbäumen für Sonnenbrand gesorgt habe. Die Früchte verfaulen am Baum. Hinzu komme, dass Insekten ganz eifrig auf der Suche nach Feuchtigkeit sind, und dabei reife Früchte mit Vorliebe „anstechen“. Die Folge: Die Früchte sind zwar reif und sehen schön aus, sind aber voller Maden. Im häuslichen Garten verzeichnet Lavall, dass Salat und Fenchel geschossen sind, bevor sie Knollen oder Köpfe ausbilden konnten. Zierpflanzen seien oftmals einfach im Wachstum stehen geblieben.

Wolfgang Hegmann, Vorsitzender des Vereins Bliesgau-Obst und Biosphären-Aktivist, berichtet ebenfalls, dass der Ertrag an Äpfeln in diesem Jahr minimal sein wird. „Die Früchte hängen vertrocknet an den Bäumen, presst man sie, kommt nichts heraus. Dort, wo Saft zu gewinnen ist, fehlt es ihm an Aroma. Im Frühjahr sah alles so gut aus, aber die Trockenheit hat unsere Erwartungen zerstört.“

So wie manche wegen der Trockenheit stöhnen, so freuen sich die Weinbaufreunde im Bliestal. Alexander Nagel, der Vorsitzende der Gruppe, die an den Hängen über Reinheim große Rebflächen bewirtschaftet, zur Saarbrücker Zeitung: „Das ist ein Traum, wie sich in diesem Jahr die Reben entwickeln.“ Nagel berichtet, dass kaum gespritzt werden musste, und dass sich die alten Reben prächtig entwickelt hätten. Vor ein paar Tagen wurde die Öchsle-Zahl gemessen, sie liegt bei 75 bis 80, einem Wert, den man ansonsten Ende September erreicht – wenn dann die Trauben noch hängen und nicht abgefallen oder von Vögeln gefressen wurden. Nagel: „Wir sind ganze vier Wochen vor der Zeit auf unseren Anbauflächen. Die Weinlese in Reinheim wird in der ersten Septemberhälfte über die Bühne gehen. Unser Winzer, die Kellerei Schmitt-Weber in Perl, ist schon seit Tagen auf ihren Flächen mit der Weinlese beschäftigt. Weinlese im August, das ist mehr als ungewöhnlich.“

Auch Wolfgang Hegmann vom Verein Bliesgau Obst klagt über eine sehr spärliche Obsternte in diesem Jahr.

Auch Wolfgang Hegmann vom Verein Bliesgau Obst klagt über eine sehr spärliche Obsternte in diesem Jahr.

Foto: Peter Gaschott

Die alten Reben haben Wurzeln, mit denen sie auch bei extremer Trockenheit Wasser aufspüren. Ein wenig trübt die Freude der Weinbaufreunde, dass Weinstöcke, die vor kurzem gepflanzt wurden, um in die Jahre gekommene Stöcke zu ersetzen, allesamt eingegangen sind. Die jungen Regent-Reben hatten keine Chance gegen die Trockenheit.

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