Leere Zellen wecken Fantasien

St. Ingbert. Sie sind das einzige Lebenszeichen an einem sonst tristen Ort: die Pin-up-Girls an den Wänden der alten Justizvollzugsanstalt (JVA) St. Ingbert. Seit einem Jahr ist sie dicht. Doch überall in den Zellen hängen die Model-Fotos noch, mal haben sie Unterwäsche an, mal auch nichts. Ansonsten regieren im Kittchen heute Spinnweben, Staub und Stille

 Jürgen Hauck (links), ein ehemaliger Vollzugsbeamter der St. Ingberter JVA, führte mit seinen früheren Kollegen die St. Ingberter durch die Flure und Zellen des Gefängnisses. Foto: Jörg Jacobi

Jürgen Hauck (links), ein ehemaliger Vollzugsbeamter der St. Ingberter JVA, führte mit seinen früheren Kollegen die St. Ingberter durch die Flure und Zellen des Gefängnisses. Foto: Jörg Jacobi

St. Ingbert. Sie sind das einzige Lebenszeichen an einem sonst tristen Ort: die Pin-up-Girls an den Wänden der alten Justizvollzugsanstalt (JVA) St. Ingbert. Seit einem Jahr ist sie dicht. Doch überall in den Zellen hängen die Model-Fotos noch, mal haben sie Unterwäsche an, mal auch nichts. Ansonsten regieren im Kittchen heute Spinnweben, Staub und Stille. Und über allem liegt ein modriger Geruch.Nein, hier ist schon lange keiner mehr gewesen. Bis Mittwochabend: Da schloss Ulli Meyer (CDU) das Kittchen im Zentrum der Stadt für die St. Ingberter auf. Mehrere Dutzend kamen. "Es ist schon bemerkenswert, wie sehr die Bürger das Gebäude interessiert", freute sich der Ortsvorsteher von St. Ingbert-Mitte.

Die JVA fiel dem Sparhammer der Landespolitik zum Opfer, meint ein ehemaliger Vollzugsbeamter der JVA, der lieber nicht mit Namen genannt werden will. Er sagt: "Dass das Gefängnis dichtgemacht werden sollte, fühlten wir schon länger. Es wurde ja jahrelang kaum was am Gebäude gemacht." Und es stimmt: Der Bau scheint im Innern schon lange in die Jahre gekommen zu sein.

Bis Mitte 2011 lebten bis zu 48 Insassen in den Zellen mit zwei bis fünf Betten. Genauer gesagt: Sie schliefen, duschten und aßen nur da. Viele der Insassen waren nämlich Freigänger. Sie saßen wegen kleinerer Delikte wie Diebstahl, Drogen oder Körperverletzung und gingen tagsüber meist einer geregelten Arbeit nach. Einige von ihnen sitzen heute noch ihre Strafen ab. Und zwar in der JVA Ottweiler - einem deutlich modernerem Gefängnis.

Die Pläne des St. Ingberter Komplexes stammen aus dem Jahr 1881. "Das Gerücht, es sei eigentlich als Schule gedacht gewesen, hält sich zwar hartnäckig, stimmt deshalb aber dennoch nicht", weiß Theo Helwig, ehemaliger Justizvollzugsbeamter. Er forschte nach der Geschichte des Gebäudes und wurde im Saar-Landesarchiv fündig. Im Entwurf seien schon Einzel- und Gruppenzellen und keine Schulsäle zu erkennen gewesen, erzählte er dieser Tage den St. Ingbertern.

Die Bürger der Mittelstadt waren aber auch an etwas anderem interessiert: an der Zukunft des historischen Gebäudes. Also: Was wird künftig aus dem Kittchen? Ein Gefängnis wohl nicht mehr. "Das Finanzministerium will das Gebäude verkaufen", weiß Ortsvorsteher Meyer. An wen? Die Saarbrücker Behörde werde das Gebäude wohl St. Ingbert zum Kauf anbieten. Und dann müsse klar sein: "Die Stadt muss das Gebäude kaufen. Denn so ein Fehler wie beim Kauf der Alten Baumwollspinnerei darf nie wieder passieren", meint Meyer. Als der Bund St. Ingbert einst das Gebäude für etwa eine Million Mark angeboten hatte, griffen die Stadtoberen nicht zu. Der kürzliche Teilerwerb der Baumwollspinnerei kam sie deutlich teurer.

Und was soll die Stadt mit dem Gefängnis anstellen? Sven Meier, SPD-Vorsitzender in St. Ingbert, machte sich bereits zu Zeiten des OB-Wahlkampfs vor einem Jahr für ein "Jugendhotel" stark. Das Konzept hatte am Mittwochabend bei den St. Ingberter Kittchen-Besuchern Befürworter. "Eine gute Idee", fand auch Ortsvorsteher Ulli Meyer. Trotzdem trat er erst mal auf die Euphorie-Bremse. "Das alte Gebäude ist denkmalgeschützt." Das heißt: Es würde wohl teuer, den alten Knast zu modernisieren und den Bedürfnissen von Touristen anzupassen.

 Jürgen Hauck (links), ein ehemaliger Vollzugsbeamter der St. Ingberter JVA, führte mit seinen früheren Kollegen die St. Ingberter durch die Flure und Zellen des Gefängnisses. Foto: Jörg Jacobi

Jürgen Hauck (links), ein ehemaliger Vollzugsbeamter der St. Ingberter JVA, führte mit seinen früheren Kollegen die St. Ingberter durch die Flure und Zellen des Gefängnisses. Foto: Jörg Jacobi

Ein anderer Vorschlag: eine Hausbrauerei im alten Gefängnis. Die Idee geistert schon länger durch St. Ingbert. So könnte auch die Fassade, die wohl hauptsächlich im Visier der Denkmalschützer steht, erhalten bleiben.

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