Integration im Kreis Von syrischen Leckereien und der Nähe zum Papst

Weiskirchen · Seit gut zwei Jahren bewegt der Zustrom von Kriegsflüchtlingen die Nation. Wie aber gestalten sich der Alltag und die Bemühungen zur Integration der Flüchtlinge in unserer Region? Die SZ greift diese Fragen in einer Serie auf. Heute Teil 4.

 Margareta Lovisa beim Kochen mit Ahmed Sakker und Ghassan Abdulsalam (rechts).

Margareta Lovisa beim Kochen mit Ahmed Sakker und Ghassan Abdulsalam (rechts).

Foto: Krewer

Das Fenster im ersten Stock öffnet sich, und ein Mann in einem blau-weiß gestreiften Hemd streckt seinen Kopf raus. Als Maher Abdulsalam erkennt, wer geklingelt hat, ruft er: "Endlich! Ich habe dich schon vermisst." Dann läuft er schnell die Holztreppen der ehemaligen Volksschule hinunter, um Ruth Kahlert-Barth die Tür zu öffnen und sie in seine Altbauwohnung zu geleiten, die er sich mit fünf weiteren Männern aus Damaskus und Aleppo teilt.

Mahers Bruder Ghassan und der jüngste Mitbewohner Ahmed Sakker stehen in der geräumigen Wohnküche und kochen. Sie bereiten Kibbeh zu, eierförmige Klöße aus Bulgur, Hackfleisch und Zwiebeln. Ein syrisches Gericht. Die Brüder sind seit August vergangenen Jahres in Rappweiler, der 18-jährige Ahmed ist seit anderthalb Jahren Teil der WG.

An einem runden Holztisch neben der Küchenzeile sitzt Margareta Lovisa. Die pensionierte Dolmetscherin und Übersetzerin hilft den Männern bei Arztbesuchen, Amtsgängen und allem, was noch so anfällt. "Manchmal sind wir auch Seelsorger", erzählt Lovisa. Beispielsweise wenn ein Familienmitglied der Männer in Syrien verschwinde oder ein Asylantrag sich in die Länge ziehe. "Zu der Tätigkeit als Flüchtlingshelferin bin ich gekommen, wie Maria zum Jesuskind", sagt Lovisa, die von den Männern respektvoll Mama genannt wird. Ein Mitarbeiter der Cristlichen Erwachsenenbildung (CEB) habe sie im Italienurlaub angerufen und gefragt, ob sie bereit wäre, Flüchtlingen Deutschunterricht zu geben. Daraus hätten sich Freundschaften entwickelt, und mit der Zeit seien Kontakte zwischen den Ehrenamtlichen geknüpft worden.

Auch bei Sprachlehrerin Kahlert-Barth begann die ehrenamtliche Arbeit mit Sprachunterricht - 2014 im Lerntreff Weiskirchen. Seitdem betreut sie mit rund 20 weiteren Helfern Syrer in der Gemeinde. "Es gibt viel zu tun", berichtet die 50-jährige Kahlert-Barth nachdenklich. Für die Neuankömmlinge seien die Helfer eine enge Bezugsperson. Sie wollten möglichst viel Aufmerksamkeit, seien oft einsam. Doch sie selbst habe auch einen Beruf und eine Familie, da müsse man aufpassen, dass man sich nicht zu viel Arbeit aufbürde. Aber es gebe immer wieder Momente, die für die Mühe entschädigten: Beispielsweise habe Ghassan Abdulsalam an ihren runden Geburtstag syrische Gerichte für die Geburtstagsgesellschaft gekocht. Das habe sie gefreut.

Nach dem Besuch in der Männer-WG bricht Kahlert-Barth zu Familie Alakkari und der zuständigen Helferin Nicole Schu auf. Hana Alosman brachte vor einigen Wochen ihr Baby Tala auf die Welt, Kahlert-Barth möchte die Kleine begrüßen.

Schu hilft Alosman bei der Anmeldung des Säuglings und unterstützt die Familie, wo sie kann. Begonnen habe ihre ehrenamtliche Arbeit in der Landesaufnahmestelle in Lebach. Durch Kontakte sei sie dann in der Flüchtlingshilfe in Weiskirchen gelandet.

 Philipp Jakobs.

Philipp Jakobs.

Alosman und ihre Schwägerin Eman Alyousef reichen Tee und Maamoul - arabisches Gebäck. Das Deutsch der beiden Frauen ist gebrochen. Während Alosmans Mann Sprachkurse besucht, passt seine Frau zu Hause auf die Kinder auf. Deswegen bot die CEB in diesem Jahr den Kurs "Mutti lernt Deutsch" an - ein Sprachunterricht für Frauen. In einem Spielkreis, der einmal in der Woche im Pfarrhaus stattfindet, kommt Hana auch mit deutschen Frauen in Kontakt. Nur so kann sie sich integrieren, und nur so wird sie nach und nach die deutsche Sprache lernen.

Sie sei nicht besonders gläubig, sagt Kahlert-Barth abschließend, aber Werte wie christliche Nächstenliebe zu leben, sei ein schönes Gefühl. "So nah am Papst habe ich mich noch nie gefühlt", witzelt sie.

Herr Jakobs, wie viele Flüchtlinge leben zurzeit in Weiskirchen?

JAKOBS Zurzeit etwa 140.

Sind die Flüchtlingszahlen in diesem Jahr im Vergleich zum vergangenen Jahr rückläufig?

JAKOBS Im Jahr 2015 waren es 116, dieses Jahr nur noch 30.

Wo sind sie untergebracht? Gibt es genügend Wohnraum in der Gemeinde oder stehen sogar einige eingeplante Unterkünfte leer?

JAKOBS Die Flüchtlinge sind größtenteils in von der Gemeinde privat angemieteten Wohnungen beziehungsweise Häusern untergebracht sowie in zwei gemeindeeigenen Objekten. Aktuell sind in der Gemeinde Weiskirchen zwei Objekte nicht belegt.

Welche Kosten fallen pro Jahr an?

JAKOBS Für das Jahr 2015 sind bei der Gemeinde Weiskirchen insgesamt Aufwendungen in Höhe von 317 341,22 Euro angefallen. Darunter fallen alle Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der Flüchtlingsunterbringung entstehen, wie Personal- und Mietkosten und Einrichtung. Die Erstausstattung von Wohnraum kostete 69 764,55 Euro. Die Mietzahlungen und die Kosten für die Ersteinrichtung werden durch die Sozialleistungsträger ausgeglichen.

Gibt es konkrete Maßnahmen zur Integration?

JAKOBS Die ehrenamtlichen Helfer unterstützen die Flüchtlinge im Alltag, die Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung stehen bei sozialen Fragen zur Seite und begleiten die Flüchtlinge nach der Ankunft.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort