Professoren warnen vor Millionen-Verlusten

Wenn die Saar-Uni den von der Landesregierung vorgegebenen Kurs der Hochschulentwicklung umsetzt, droht ihr wissenschaftlich gesehen der Absturz, warnen zwei Physiker der Universität. Das werde Millionen kosten.

Saarbrücken. Für die Saar-Universität war das vergangene Jahr mehr als nur erfolgreich. Was die Drittmittel angeht, war es sogar das beste ihrer Geschichte. Doch das war's dann auch - von nun an geht's bergab, fürchten die Physik-Professoren Heiko Rieger und Ludger Santen von der Saar-Uni. Sie kritisieren die von der Regierungskoalition beschlossenen Detailvorgaben für die Hochschulentwicklung. Sie beschädigten die wissenschaftliche Leistungsfähigkeit der Uni.

Die bisher bekannten Absichten könne er nur als "forschungsfeindlich" interpretieren, so Heiko Rieger. Der Physiker ist Sprecher des neuen Saarbrücker Sonderforschungsbereichs "Physikalische Modellierung von Nicht-Gleichgewichts-Prozessen in biologischen Systemen". Für diesen neuen Schwerpunkt erhält die Hochschule über neun Millionen Euro von der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

Als "extrem gefährlich" bewertet auch sein Kollege Ludger Santen die Position der Landesregierung. Der Sprecher des Graduiertenkollegs "Strukturbildung und Transport in komplexen Systemen" kritisiert die Absicht der Koalition, an der Uni bis hinab zur Ebene einzelner Lehrstühle durchzuregieren. "So tief in Uni-Interessen einzugreifen, dass deren Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt wird, ist ein Fehler", warnt Santen. Den Politikern fehle für derartig detaillierte Zielvorgaben ebenso die Kompetenz, wie einem Professor, der sich zu inhaltlichen Fragen eines fremden Fachs äußere. Zu welchen Problemen das führen könne, zeige das Beispiel der unter politischem Druck aufgebauten Grundschullehrerausbildung an der Saar-Universität, die im Gutachten des Wissenschaftsrats alles andere als gut abgeschnitten habe.

Die Politik müsse sich auch in schwierigen Zeiten darauf beschränken, den Rahmen der Hochschul-Entwicklung im Land vorzugeben, und solle nicht versuchen Detailfragen auf dem Campus zu regeln, so die Physiker . Das gelte auch für die jetzt von oben verordneten Kooperationsplattformen für Universität und HTW, teure Parallelstrukturen, für die kein Geld vorhanden sei. Der Versuch, Kooperation per Kommando zu verordnen, werde scheitern, sagen Santen und Rieger voraus. "Wenn gespart werden muss, dann strukturiert", so Heiko Rieger. Der Plan des Uni-Präsidenten - eine eher konservative Schätzung, so Santen - habe dafür immerhin Ansätze enthalten. Den Unihaushalt nun aufzuhübschen, indem dort auch Teile der Drittmitteleinnahmen hineingerechnet werden (wir haben berichtet), "das ist abenteuerlich".

Mit ihren Vorgaben habe die Landesregierung dem Präsidium für die Neustrukturierung des Campus nun "den Rasenmäher in die Hand gezwungen", kritisieren beide Physiker . Als Folge "kann man sich vom Gedanken verabschieden, dass hier künftig noch exzellente Forschung möglich sein wird", warnt Heiko Rieger.

"Wenn die Prämisse der Landespolitik unter diesen Umständen der Erhalt von Studienplätzen ist, ist das forschungsfeindlich", so Santen. Falls die sich abzeichnende Politik umgesetzt werde, werde die Universität des Saarlands künftig Nachwuchswissenschaftlern kaum noch Perspektiven bieten können. Und damit drohten dann nicht nur die Forschung und damit die Drittmitteleinnahmen Schaden zu nehmen. Aus den Forschungsbereichen der Uni erwachsen neue Arbeitsplätze im Saarland, so Rieger und Santen. "Wir holen junge Akademiker mit Kindern in die Region, wir sind die Zukunft des Saarlands."

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HintergrundDie Forschungsleistung einer Hochschule wird unter anderem über die Höhe der Drittmittel bewertet. An der Saar-Uni haben sie sich in zehn Jahren fast verdoppelt. 2013 verzeichnet die Uni-Statistik 83 Millionen Euro. Der größte Teil (34 Prozent) stammt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Die Exzellenzinitiative und Sonderforschungsbereiche trugen erheblich dazu bei. 18 Prozent kommen von Bundesministerien, 17 Prozent aus der Industrie, 15 Prozent aus dem Saarland und von der EU. Drittmittel sind an Projekte gebunden, ein Zuschuss von meist 20 Prozent ist für Verwaltungskosten bestimmt. Künftig soll ein Teil davon in den allgemeinen Uni-Haushalt einbezogen werden. Das sorgt unter den Forschern für Kritik. byl

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