Studienfinanzierung Das Kreuz mit der Studienfinanzierung
Saarbrücken · BAföG gilt als wichtigste staatliche Unterstützung Studierender. Doch nur elf Prozent aller Immatrikulierten bezogen es zuletzt. Die jüngste BAföG-Novelle hat daran wenig ändern können. Kurz vor Semesterbeginn geht bei vielen Studierenden wieder das finanzielle Zittern los. Zumal die KfW-Studienkredite keine Alternative mehr zum BAföG sind.
Kurz vor Semesterbeginn und dem nächsten Winter (Heizkosten!) überschlagen wohl viele Studierende, wie sie über die Runden kommen werden. Reicht der eine Nebenjob in diesen Inflationszeiten aus? Muss noch ein Zusatzverdienst her? Soll man einen Studienkredit aufnehmen? BAföG beantragen?
Die letzte BAföG-Reform der Bundesregierung – es war die 27ste in 45 Jahren seit Bestehen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes – liegt ein Jahr zurück und hat die Förderkulissen etwas verbessert. Die drei wichtigsten Änderungen: 1) Die Förderhöchstgrenze liegt nun bei 934 Euro monatlich (vorher: 861) und umfasst einen staatlichen Zuschuss zum Grundbedarf (452), zum Wohnen (360) und zur Pflege- und Krankenversicherung (122 Euro). 2) Normalerweise sind die Eltern unterhaltspflichtig, daher wird ihr Einkommen mit einbezogen: Um aber den Kreis der dadurch limitierten BAföG-Bezieher zu erhöhen, sind die Elternfreibeträge um gut 20 Prozent auf nun 2415 Euro angehoben worden. 3) Anspruchsberechtigte dürfen bei Ausbildungsbeginn jetzt auch 45 Jahre (vorher 30) alt sein.
Am Grundproblem aber hat die jüngste Novelle kaum gerührt: Die große Mehrheit kann auch weiterhin kein BAföG beantragen, weil ihre Eltern über der Bemessungsgrenze liegen. Was deren Höhe anbetrifft, lassen sich keine pauschalen Aussagen machen. Zu viele Kriterien spielen hinein – ein Grund, weshalb die BAföG-Beantragung vielen ein Gräuel ist. Nur noch elf Prozent der Studierenden bezogen zuletzt die für sie wichtigste staatliche Unterstützung. Vor 30 Jahren war es noch fast jeder Dritte. Das Deutsche Studentenwerk (DSW) spricht denn auch von einem „Allzeit-Tief“ und fordert eine „deutliche Anhebung des BAföG-Grundbedarfs, der Wohnkostenpauschale und der Elternfreibeträge“. Faktisch liegt der angesetzte Grundbedarf Studierender – quasi ihr veranschlagtes Existenzminimum – deutlich unter dem Bürgergeld (452 Euro vs. 502 Euro). Auch fehlt eine Anpassung der Wohnkostenpauschale an den lokal differerierenden Mietspiegel: In Saarbrücken mögen 360 Euro reichen, in Berlin oder München ist oft das Doppelte zu berappen.
Zwar erhält angeblich jeder zweite Geförderte den BAföG-Höchstsatz (934 Euro für nicht bei den Eltern Wohnende, 633 für „Heimschläfer“), im Schnitt liegt die Förderung dennoch „nur“ bei 592 Euro monatlich – was nur bedeuten kann, dass die Zuschusshöhe vielfach deutlich niedriger ist. Dass 89 Prozent aller Studierenden kein BAföG beziehen, liegt also nicht alleine an zu niedrigen Einkommensgrenzen. Sondern auch daran, dass die Beantragung als „Bürokratiemonster“ gilt und manche folgern, dass der vermeintliche Aufwand für ein paar hundert Euro nicht lohnt. Hinzu kommt: Jeder Vierte ist gar nicht erst anspruchsberechtigt, weil er oder sie das Studienfach gewechselt oder zu lange studiert hat. Restriktionen, die der Lebenswirklichkeit nicht gerecht würden, kritisiert das DSW. Ins gleiche Horn bläst der Vorstand des Saarbrücker Studierendenwerks, Carsten Rast, der eine „Entkopplung von BAföG und Regelstudienzeit“ befürwortet. Zu Recht: Dass BAföG (meist) nur während der Regelstudienzeit gewährt wird, blendet die Nöte vieler Studierender aus. Inflation, steigende Energie- und Mietkosten und dazu die noch virulenten Pandemie-Folgen, die bei vielen zu Jobverlusten und damit zu enormen finanziellen Engpässen führten, setzen ihnen zu.
Seit klar ist, dass die Berliner Ampel 2024 den Etat des Bundesministeriums für Bildung und Forschung um 5,4 Prozent schröpft, was eine BAföG-Mittelkürzung um 400 Millionen auf 1,4 Milliarden Euro einschließt, schrillen die Alarmglocken: neuer Ausverkauf beim BAföG? Diese Sorge scheint unberechtigt: Weil die BAföG-Mittel zuletzt nicht ausgeschöpft wurden, ist es eher eine Etatanpassung. Zumal die für 2024 erwartete stärkere BAföG-Nachfrage (15,8 Prozent) im Haushaltsansatz bereits eingepreist ist. Tatsächlich werden wieder mehr Anträge gestellt, bestätigt auch das Saarbrücker Studierendenwerk.
Inwieweit sorgt BAföG für mehr Bildungsgerechtigkeit? Das ist die andere Frage, die sich seit Jahren stellt. Zumindest gibt es laut der jüngsten Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks mehr BAföG-Nutzer aus nicht-akademischen Elternhäusern (22 Prozent) denn aus Haushalten, in denen beide Eltern einen Hochschulabschluss haben (sechs Prozent). Da andererseits eine Million Studierende heute in prekären Verhältnissen leben, zuletzt jedoch nur 623 000 BAföG-Bezieher gemeldet waren, ist klar: Längst nicht alle, die die staatliche Zuschussspritze bräuchten, erhalten sie. Deutlichstes Indiz: Knapp zwei von drei Studenten haben einen Nebenjob. Durchschnittlich arbeiten sie 14 Stunden pro Woche, Studierende mit Kindern fast doppelt so viel. Jeder Vierte gibt an, für den Lebensunterhalt sei dies „unbedingt notwendig“. Ein Drittel sieht große Probleme bei der Vereinbarkeit von Studium und Arbeit. BAföG-Bezieher sind da keine Ausnahme: Mehr als die Hälfte von ihnen arbeiten nebenbei.
Unterm Strich sei „das BAföG besser als sein Ruf“, meint Carsten Rast. Mehr als 50 000 Euro könnten im Regelfall (drei Jahre Bachelor plus zwei Masterjahre) ausgezahlt werden, 40 000 davon seien geschenkt, rechnet er vor. Denn die Darlehenshöchstgrenze – die maximale Rückzahlung – liegt bei 10 010 Euro. Vergleicht man die BAföG-Konditionen mit denen der KfW-Studienkredite (dem mit weitem Abstand beliebtesten Studienkredit), wird schnell klar: Die zu Oktoberbeginn auf nahezu neun Prozent hochgeschnellten KfW-Kredite schnüren mittlerweile vielen studentischen Kreditnehmern den Hals zu. Für viele „Studis“ sind sie lukrativ, weil ihre Beantragung so unkompliziert ist: Mehr als den Immatrikulationsnachweis braucht es nicht, um monatlich maximal 650 Euro zu bekommen. Anders als BAföG-Anträge, die auch in Saarbrücken mittlerweile drei Monate Bearbeitungszeit haben, steht das Geld sofort bereit. Der Haken daran, der inzwischen manche Betroffenen wohl eher an einen Galgen erinnert: Wer drei Jahre lang die maximale Darlehenshöhe erhält (23 400 Euro), muss laut einer Modellrechnung des Studentenwerks Halle am Ende 40 000 Euro zurückzahlen. Somit ist die Verschuldung nach der Uni vorprogrammiert.
Ob Hochschüler sich nun über BAföG, KfW-Studienkredit oder Jobs finanzieren: Auf breiter Front tun sich immer mehr Engpässe auf. „Die Studis werden uns zu Semesterbeginn die Tür einrennen“, prognostiziert der Saarbrücker AStA-Vorsitzende Danny Meyer. Immer mehr hätten neben ihrem Vollzeitstudium mehrere Jobs, um noch überleben zu können. „Der Stressfaktor ist mittlerweile riesengroß“, meint Meyer. Früher oder später münde dies „bei vielen in einen Teufelskreis aus Studienverzögerung und finanzieller Not“.