Homepage über Meisterwerk von Edgar Reitz Die große „Heimat“-Welt im  Hunsrück

Saarbrücken · „Heimat“, die Hunsrück- Saga von Edgar Reitz, ist ein Meilenstein des deutschen Films und Fernsehens. Einer der größten Anhänger und Kenner ist der Mathematiklehrer Thomas Hönemann. Seit 21 Jahren arbeitet er stetig an einer umfassenden, sehr persönlichen Internetseite.

 Eine Szene aus „Heimat – Eine deutsche Chronik“, die 1981/82 gedreht und 1984 erstmals ausgestrahlt wurde. In elf Episoden dieses ersten Zyklus‘ erzählt Edgar Reitz vom Leben im fiktiven Hunsrück-Dorf Schabbach und von der Familie um Maria Simon (Marita Breuer).

Eine Szene aus „Heimat – Eine deutsche Chronik“, die 1981/82 gedreht und 1984 erstmals ausgestrahlt wurde. In elf Episoden dieses ersten Zyklus‘ erzählt Edgar Reitz vom Leben im fiktiven Hunsrück-Dorf Schabbach und von der Familie um Maria Simon (Marita Breuer).

Foto: Studiocanal/Edgar Reitz Filmproduktion

„Schwarzweiß – und ein sehr interessanter Dialekt.“ Das ist der erste Eindruck, den „Heimat“ auf Thomas Hönemann gemacht hat, damals im Herbst 1984. Da  läuft Edgar Reitz‘ kolossale Hunsrück-Saga zum ersten Mal im Fernsehen;  Hönemann ist 15, er bleibt beim Zappen hängen, „wenn man vom Zappen sprechen kann – bei damals drei Fernsehprogrammen“. Die langsame, sogartige Erzählweise fasziniert ihn ebenfalls – und als die Figur „Hermännchen“ auftaucht, „da war es um mich geschehen. Die Figur war damals so alt wie ich, er hatte ähnliche Themen wie ich als postpubertärer Jugendlicher – das konnte ich gut nachfühlen.“ Hönemann versenkt sich in die Saga, sammelt Fakten, recherchiert, wertet aus, schreibt mit großer Freude – bis heute.

Heute ist seine Internetseite heimat123.de ein Füllhorn der Dokumente, Geschichten, Informationen und Fotografien, ein digitaler Anlauf- und Treffpunkt. Es geht um die Entstehungsgeschichte, um Regisseur Reitz, man findet Interviews, Kritiken, Essays und – leider notgedrungen – auch Nachrufe auf Verstorbene der „Heimat“-Familie: von Kameramann Gernot Roll bis zum Land- und Gastwirt Rudi Molz. In dessen Gaststätte „Bauernstube“ in Woppenroth traf sich sein Freund Edgar Reitz, in Morbach geboren, mit Einheimischen, um Geschichten für „Heimat“ zu sammeln – „das Epizentrum von Heimat“, wie Hönemann es formuliert.

  Thomas Hönemann (Mitte) und Regisseur Edgar Reitz (rechts). Links: Günter Endres aus Riegelsberg, der die Internetseite seit 15 Jahren mit Beitragen und Fotos unterstützt. Das Bild entstand 2019 in Reitz‘ Elternhaus in Morbach, wo ein Café und ein Kino unter dem Motto „Heimat“ eröffnet wurden.

Thomas Hönemann (Mitte) und Regisseur Edgar Reitz (rechts). Links: Günter Endres aus Riegelsberg, der die Internetseite seit 15 Jahren mit Beitragen und Fotos unterstützt. Das Bild entstand 2019 in Reitz‘ Elternhaus in Morbach, wo ein Café und ein Kino unter dem Motto „Heimat“ eröffnet wurden.

Foto: Andrea Endres

„Ich dachte, ich probiere das einfach mal“

Seit 2001 gibt es die Seite, die Hönemann damals programmiert hat. Von Haus aus ist er Mathematiklehrer, „ich dachte, ich probiere das einfach mal“. Damals sei im Internet wenig zu finden gewesen zu „Heimat“, seine Seite ist eine Pioniertat. Die Resonanz ist sofort enorm, die Fragen prasseln, er antwortet, und so gewinnt die Seite immer mehr an Fülle und Aspekten. Wo genau wurde gedreht? Wie lange? Woher kommt der fiktive Ortsname Schabbach? (Antwort: Es ist ein im Hunsrück recht verbreiteter Familienname, den Reitz dann auswählte).

 Hermann Simon, das „Hermännchen“ (Jörg Richter), eine Figur, die Hönemann besonders faszinierte.

Hermann Simon, das „Hermännchen“ (Jörg Richter), eine Figur, die Hönemann besonders faszinierte.

Foto: Studiocanal/Edgar Reitz Filmproduktion

Direkt nach Woppenroth

1998 ist Hönemann zum ersten Mal von seiner nordrhein-westfälischen Heimat aus in den Hunsrück gefahren, mit klarem Ziel: „Wir sind direkt zu Rudi und Marga Molz in ihre Gastwirtschaft in Woppenroth.“ Hönemann ist froh, Rudi Molz noch kennengelernt zu haben, der 2002 starb. „Er war ein ganz besonderer und wesentlicher Mensch im Blick auf die Entstehung der Filme.“

Freundschaften in der „Heimat“-Welt

Darum geht es Hönemann ohnehin am meisten bei seinen Recherchen und Reisen: „Die Menschen hinter dem Film und im Hunsrück interessieren mich“, sagt er. Besonders fasziniere ihn das Gemeinschaftserlebnis, ob virtuell oder vor Ort, „man trifft sich mit Gleichgesinnten, der Austausch ist intensiv“. Jeder sehe „Heimat“ aus einer anderen Perspektive, aber es „ist ein Austausch auf Augenhöhe. Das ist sehr schön, bereichernd und sehr verbindend“, da seien einige Freundschaften entstanden. „Wenn ich jetzt im Hunsrück bin, fahre ich beispielsweise immer bei Marga Molz vorbei und schaue, wie es ihr geht.“ Auch mit Marie-Goot-Darstellerin Eva Maria Schneider war er gut befreundet.

  
  Komparsenrolle: Thomas Hönemann 2012 in Gehlweiler bei den Dreharbeiten zu „Die andere Heimat“. Auf dem Drehplan stand die „Leckschmierkerb“, die Dorfkirmes zur Feier der Ernte.

Komparsenrolle: Thomas Hönemann 2012 in Gehlweiler bei den Dreharbeiten zu „Die andere Heimat“. Auf dem Drehplan stand die „Leckschmierkerb“, die Dorfkirmes zur Feier der Ernte.

Foto: Hönemann

Komparsenrolle in „Die andere Heimat“

2012 ist Hönemann selbst Teil der „Heimat“-Welt geworden, als Komparse bei „Die andere Heimat“, drei Drehtage lang. Reitz und Kameramann Gernot Roll bei der Arbeit zu sehen, sei sehr interessant gewesen, „aber weitaus bewegender waren noch die vielen menschlichen Begegnungen, die sich da ergaben“. Was er erlebt hat, kann man auf der Seite nachlesen.

Was sagt Edgar Reitz zur Seite?

Gerade am vorletzten Wochenende war er wieder in Simmern, wo Edgar Reitz einst zur Schule ging; zu dessen 90. Geburtstag wurde das nach ihm benannte Filmhaus feierlich eröffnet. Das Pro-Winzkino zeigte die komplette „Zweite Heimat“: 25 1/2 Stunden Film an drei Tagen. Mit dabei: Jubilar Reitz, „da waren wir alle gleich tief im Gespräch mit ihm“. Was sagt Reitz zur Internet-Seite? „Die Idee hat ihm von Anfang an gefallen, er hat sofort seinen Segen gegeben.“

„Er hat unsere Ernsthaftigkeit gespürt“

2004 haben Hönemann und seine damaligen Mitstreiter Raymond Scholz und Reinder Rustema eine lange Internet-Diskussion über „Heimat“ – damals noch nicht via Chat, sondern über eine lange internationalen Mailingliste – ausgedruckt, gebunden und Reitz übergeben. „Er hat unsere Ernsthaftigkeit gespürt und sich sehr gefreut.“ Seitdem stehen Hönemann und Reitz im Kontakt, der augenzwinkernd zu ihm mal sagte, dass wenn er beim Schreiben seiner Autobiografie eine Gedächtnislücke habe, bei Ihm auf der Seite nachschaue.

Auch Radtouren sind ein Thema

Heimat123.de schlägt auch Seitenwege ein – es gibt etwa Exkurse über die Menschen im Hunsrück und deren Dialekt, über Reitz‘ Kollegen und Freund Werner Herzog, der in „Die andere Heimat“ als Alexander von Humboldt auftrat. Hönemann schreibt auch über seine Radtouren im Hunsrück, „die Seite ist ganz breit und offen angelegt“.

Die Seitenbesucher wissen das zu schätzen; sie kommen vor allem aus Deutschland, aber auch aus den USA, England, der Niederlande, Schweden, der Schweiz und Italien. Die Sprache der Seite ist fast durchweg Deutsch, aber es gibt auch einige englische Texte, beispielsweise von Rowan Charlton, der mit 29 Jahren zu den jüngsten Fans gehört, den Hönemann im September in München kennenlernte, „ein Glücksfall“.

Sorgen um den „Heimat“-Nachwuchs

Denn die Anhänger der „Heimat“-Saga sind im Schnitt älter, was Hönemann Sorge bereitet und auch ein wichtiges Motiv für seine Arbeit ist. Die Seite soll dazu beitragen, dass „Heimat“ nicht in Vergessenheit gerät. „Es ist nicht nur ein Stück große Kino- und Erzählkunst, sondern es ist auch etwas, was sehr mit uns als Deutschen und mit unserem Selbstverständnis zu tun hat und damit, wie Menschen miteinander umgehen. Es ist zutiefst menschlich.“

Experiment an der Nordsee

Ein junges Publikum zu erreichen, hält er für möglich, sagt er und berichtet von einem verregneten Nordsee-Urlaub mit der Familie, in dem er seinen Kindern, damals neun und elf, die „Heimat“ gezeigt habe. „Erstaunlich, wie auch die Kinder in diesen Sog geraten sind. Sie hatten kein Problem mit der Geschwindigkeit, nicht mit dem Dialekt oder Schwarzweiß. Die konnten nicht genug bekommen.“ Man müsse die Saga einfach einem jungen Publikum nahebringen – auch dazu soll seine Seite beitragen.

„Heimat“-Seite: www.heimat123.de

„Heimat“ ist noch bis Sonntag, 4. Dezember, in der 3sat-Mediathek zu sehen.

„Die zweite Heimat – Chronik einer Jugend“ ist gerade digital restauriert auf DVD/Bluray bei Studiocanal erschienen.
Edgar Reitz‘ Autobiografie „Filmzeit, Lebenszeit“ ist im September beim Rowohlt-Verlag erschienen.

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