Anton Dolmetsch und wir
Saarbrücken. Die Erwartung auf Bilder, vertraute zumeist, hatte am Freitag viele in die Sparte 4 gelockt. Kafkas Romanfragment "Der Prozess" und Orson Welles bildgewaltige Filmerzählung dieses Stoffes weckten Erwartungen
Saarbrücken. Die Erwartung auf Bilder, vertraute zumeist, hatte am Freitag viele in die Sparte 4 gelockt. Kafkas Romanfragment "Der Prozess" und Orson Welles bildgewaltige Filmerzählung dieses Stoffes weckten Erwartungen. Doch hatte der Klangkünstler und Komponist elektronischer Musik, Stephan Mathieu, mit "Process" eine "Klanglandschaft für Franz Kafka und Orson Welles" geschaffen. Keine Collage aus Bild und Text, vielmehr baute er auf der Folie der "Türhüterparabel" ein lebendes Bild für Publikum und Klanghüter auf.
Im neunten Kapitel des "Prozess" wird die Parabel vom Türhüter erzählt. Darin begehrt ein Mann Einlass in das Gesetz, wird aber Jahr um Jahr vom Türhüter abgewiesen. Bis dieser dem Sterbenden erklärt, dass der Eingang nur für ihn bestimmt war. Mathieu übersetzte diese Situation mit elektronischen Mitteln in einen von ihm wie einem Türhüter beherrschten Klangraum. Um ihn herum der Kreis der Grammophone, ein Spinett, dessen Saiten mit Elektromagneten beschwert waren sowie zwei ratternde Filmprojektoren. Der Name des Minicembalos war Programm: "Anton Dolmetsch", als wär's eine Figur Kafkas, war Fingerzeig zur Lösung. Mathieu übertrug den Text in einen Binärcode, eine Folge von Einsen und Nullen, und damit in eine Kette von Informationen, die Grundlage für die Komposition, sprich für das Flimmern und Rauschen im Raum war. 40 Minuten anschwellender Klangschwaden.
Kein Kafka, kein Welles im Bild, sondern in deren Sinn eine Adaption des Stoffs als Kammerspiel im Klangraum, in dem das irritierte Publikum die Parabel nachspielte: Im Umhergehen, im Betrachten der Instrumente, im Lesen in Programmheft, im Schauen und im Austausch mit dem Nachbarn. Wir waren Figuren in der Klanglandschaft, wollten hinein und waren doch längst drinnen.
