Sozialpaket in Frankreich „Gelbwesten-Gesetz“ im Schnellverfahren

Paris · Das Sozialpaket, das Frankreichs Präsident den wütenden Demonstranten versprach, passiert das Parlament. Es wird finanzielle Folgen haben.

 Nach dem wochenlangen Protest der „Gelbwesten“ (hier ein Bild von den schweren Krawallen in Paris vom 24. November) versprach Präsident Macron milliardenschwere Entlastungen, die nun zügig in Kraft treten können.

Nach dem wochenlangen Protest der „Gelbwesten“ (hier ein Bild von den schweren Krawallen in Paris vom 24. November) versprach Präsident Macron milliardenschwere Entlastungen, die nun zügig in Kraft treten können.

Foto: AP/Michel Euler

„Wir werden zur Abstimmung schreiten“: Um 4.35 Uhr am Freitagmorgen sprach der Präsident der französischen Nationalversammlung den erlösenden Satz aus. Nach 13-stündiger Debatte war damit klar, dass Emmanuel Macron seinen Wettlauf gegen die Zeit gewonnen hatte. Der Staatschef hatte zehn Tage vorher ein Sozialpaket angekündigt, das die Wut der „Gelbwesten“ besänftigen sollte. Und zwar schon ab dem 1. Januar. Deshalb war schnell ein Gesetz nötig, das noch vor Weihnachten durch beide Parlamentskammern gehen sollte. Am Mittwoch legte die Regierung ihren ausformulierten Maßnahmenkatalog vor, der zehn Milliarden Euro kosten soll. Eine Summe, die vor allem in Brüssel kritisch gesehen wird, denn Frankreich wird im nächsten Jahr das Defizitziel der EU von drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes verfehlen. Damit könnte dem Land ein neues Defizitverfahren drohen. „Die Mehrausgaben, die Herr Macron jetzt versprochen hat, sind ja nicht einmalige Weihnachtsgeschenke, sondern es sind strukturell dauerhafte Ausgaben“, bemerkte EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger im „Focus“. „Von denen kommt er auch 2020 nicht runter.“ Der Präsident der Nationalversammlung, Richard Ferrand, hatte nach Bekanntgabe der Maßnahmen versichert, dass das Defizit nur 2019 überschritten werden solle, um dann wieder unter die Drei-Prozent-Grenze zu fallen. Auf die Interpretation einer vorübergehenden Defizitsünde ließ sich auch der französische Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici ein, der seinem Land gerne ein neues Verfahren ersparen würde.

Das „Gelbwesten-Gesetz“ besteht aus vier Maßnahmen, die den Geringverdienern 2019 mehr Geld bringen sollen: Steuerfreiheit für Überstunden, 100 Euro Zulage monatlich für Mindestlohnbezieher, Entlastungen für Rentner und eine freiwillige steuerfreie Prämie der Unternehmen. Außerdem wird die Öko-Steuer auf Sprit nicht wie geplant erhöht. „Dieser Gesetzentwurf ist die Konsequenz der Krise, die die Regierungspolitik verursacht hat“, kritisierte der Finanzexperte der Republikaner, Eric Woerth, in der Nationalversammlung. Die größte Oppositionspartei enthielt sich bei der Abstimmung ebenso wie die Sozialisten. 153 Parlamentarier, vor allem von Macrons Partei La République en Marche, votierten für den Entwurf und neun dagegen. Die Republikaner begrüßten vor allem, dass Überstunden erneut steuerfrei werden. Dies galt bereits unter Präsident Nicolas Sarkozy, mit dem Macron sich in der Krise beriet.

Der 40-Jährige hatte sich zehn Tage im Elysée zurückgezogen, um eine Antwort auf die teils gewalttätigen Proteste der „Gelbwesten“ zu finden. Nach der 13-minütigen Ansprache am 10. Dezember sorgte Regierungschef Edouard Philippe im Schnellverfahren für die Umsetzung – nicht ohne Pannen. Nachdem es am Dienstag zunächst hieß, frühere Versprechen wie ein „Energiescheck“ würden zugunsten des neuen Gesetzes zurückgenommen, schwenkte die Regierung wenig später wieder um. In den Haushalt, der wegen des Sozialpakets nachgebessert werden musste, wurde alles wieder eingearbeitet. „Es herrscht Panik auf allen Etagen“, kritisierte der Fraktionschef der Republikaner, Christian Jacob. „Es gibt keine Linie mehr, keinen Kurs.“

Macron wird durch sein eiliges Sozialpaket auch international geschwächt. Im Wahlkampf hatte er versprochen, das Defizit unter drei Prozent zu halten, um das Vertrauen der EU-Partner wiederzugewinnen. Aber der wochenlange Protest der „Gelbwesten“, der sich vor allem gegen Macron selbst richtete, ließ ihn dann doch den Geldhahn aufdrehen. Diese Woche legte die Regierung auch für die Polizisten nach, die nach einem Protesttag eine Gehaltserhöhung von mindestens 120 Euro monatlich erhalten sollen. Nun fordern die Beschäftigten im öffentlichen Dienst eine ähnliche Geste.

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